Penner Jonhann (1872-1931)

Die Familiengeschichte von Johannes Penner habe ich von Elsa Wall, geb. Penner bekommen mit freundlichen Genehmigung zur Veröffentlichung.

Johann Penner (15.02.1872 – 24.08.1931, Karaganda, Kasachstan, UdSSR) war in Alexandertal, Alt-Samara, Russland geboren. Seine Eltern waren Heinrich Penner (1828-1884)  und Anna, geb. Dyck (1840 – 1884). Sie kamen 1859 aus Groß-Schardau Tragheimerweide Westpreußen, nach Alexandertal. Die Eltern waren verstorben als die Kinder noch minderjährig waren.
Johannes ältester Bruder Heinrich Penner (12.03.1868 – 19.02.1938) war gerade mal 16 Jahre alt und es gab noch eine Schwester Maria, die jünger war.

So beschreibt es Heinrich Penners Sohn Robert Penner:
Als seine Eltern im Jahre 1884 kurz hintereinander starben, hatte mein Vater ihre Bauernwirtschaft aufgelöst, weil er im Alter von 16 Jahren, selbst noch unmündig, sie mit seinen jüngeren Geschwistern nicht weiterführen konnte, wohl auch nicht mochte, denn das Baurieren lag ihm nicht.
Er ging zuerst bei dem Tischlermeister Cornelius Eck in die Lehre und erlernte das Tischlerhandwerk. Dann fuhr er, schon als Geselle, auf einige Jahre nach der Ukraine, wo er in einer Stellmacherei[1] arbeitete. Als Meister in diesem Fach kehrte er alsdann nach Alexandertal zurück und baute sich auf dem Hof seiner elterlichen Wirtschaft seine eigene Werkstatt auf, wo er nun selbständig sein Tischler-Stellmacherhandwerk betrieb.

[1] Elsa Wall. Die Stellmacherei (auch Wagnerei) ist die Werkstatt eines Stellmacher genannten Handwerkers, der Räder, Wagen und andere landwirtschaftliche Geräte aus Holz herstellte. Wikipedia

Johann Penner war mit Anna Engbrecht (05.07.1879 – 04.1943) verheiratet. Ihre Kinder waren:

  • Maria (Mascha) (07.05.1901 – 14.05.1983), #1254335. Sie hatte 1920 einen Witwer Johannes Bergmann (16.12.1887 – 05.01.1938), #1254544 mit zwei Kindern Hans und Katharina geheiratet
  • Anna (14.08.1902 – 21.03.1973). War nicht verheiratet.
  • Heinrich (1904-1904)
  • Cornelius (29.11.1905 – 26.12.1991). Er hat am 03.02.1929 Katharina Bergen (03.02.1929 – 16.12.1981) geheiratet.
  • Heinrich (1907 – 1907)
  • Helene (11.06.1909 – 05.12.1978). Sie heiratete am 31.12.1930 Robert Penner (19.01.1905 – 29.12.1997)

Alle Kinder Am Trakt geboren. GRanDMA Nummern gibt es nur bei Maria. Im Jahr 1921 lebte die Familie in Lysanderhöh, das kann man an der Bewohnerliste Lysanderhöh 1921-22 unter den Nummern 1 bis 5 sehen.

Johannes und Anna Penner. Foto E. Wall

Onkel Johann 15.02.1872 – 24.08.1931

Aufgeschrieben von Robert Penner:

Onkel Johann, oder Onkel Iwan, wie wir ihn nannten, war Papas[1] einziger Bruder und vier Jahre jünger als er. Er ist nach dem Tode seiner Eltern[2] sehr viel bei seinem Onkel Peter gewesen, der ja auf Onkel Johannes Hof sein Haus mit dem Obstgarten und Bienenstöcken hatte.
Später ging Onkel Iwan auch in die Ukraine, wo er in der Molotschna Ansiedlung das Schusterhandwerk erlernte. Dann kam er als junger Mann in die Ansiedlung „Am Trakt“ bei Saratow, wo er nach etlichen anderen Stellen eine Zeitlang Verwalter auf dem Bauernhof einer reichen Witwe war.
Später im Alter von 28 Jahren verheiratete er sich mit Anna Engbrecht[3]. Eine Reihe von Jahren wohnten nun die jungen Eheleute auf dem Pachtland, einem Chutor, der etwa 30 km von der Ansiedlung entfernt lag. Als die ältesten Kinder schulpflichtig wurden, siedelte Onkel Iwan nach Medemtal über, wo er sich einen kleinen Bauernhof mit etwa 30 Hektar Land kaufte.
Sein Schwiegervater Cornelius Engbrecht hatte zudem ein Landstück von 65 Hektar erstanden, welches er nun seinem Schwiegersohn zur Verfügung stellte.

Ein Wunder Gottes
Aufgeschrieben von Heinrich Penner (1934-2022)
Sohn von Helene und Robert Penner:

Meine Mama erzählte es mir von ihrem Vater
Die Russische Revolution war ein Volksaufstand im Oktober 1917 in Russland. Durch diese Revolution hat sich vieles im Land verändert.
Als Weiße Armee bezeichnet man die Truppen der russischen Weißen Bewegung, die im Russischen Bürgerkrieg (1918–1922) gegen die Bolschewiki kämpften. Keimzelle der Weißen Armee war die Freiwilligenarmee.
Nach der Oktoberrevolution 1917 folgte ein grausamer Bürgerkrieg. Er wurde vor allem zwischen der Roten und Weißen Armee geführt.
Wann es war, weiß ich nicht. Ich weiß, dass die Roten mit den Weißen gekämpft haben. Es war in der Kolonie Am Trakt im Dorf Ostenfeld. Mein Opa Johann Penner war Dorfschulze. Einmal kamen 2 Offiziere, sie waren auf der Flucht. Sie baten Opa, er sollte ihnen die Pferde auswechseln, sie waren Müde. Sie sagten, sind von den Weißen. Opa sagte: „Ich kann ihnen die Pferde nicht wechseln, unser Dort steht unter den Roten.“ Dann zeigten sie ihre Papiere. Es waren 2 Rote Offiziere. Opa hat ihnen die Pferde ausgewechselt und andere Pferde gegeben.
Wie es kam, weiß ich nicht, im Dort hat man auf dem Misthaufen 2 Rote Offiziere erschossen. Ein junger Mann hat gebeten, man soll ihm noch ein bißchen Zeit geben um zu beten, seine Eltern waren gläubig. Ein junger Mann Wall[4] schob diesen Mann ins Nebenzimmer, schloss die Tür hinter ihn, stellte sich mit dem Gewehr vor die Tür und sagte: Fünf Minuten sind deine“. Um eine Zeit, kamen die Roten und haben 22 Mann festgenommen, unter ihnen war auch mein Opa Johann Penner (er war ja Dorfschulze). Sie wurden zum Tode verurteilt. Unter denen die das Urteil fällten, waren auch die 2 Rote Offiziere, denen Opa, die Pferde ausgewechselt hat, sie haben ihn erkannt und haben ihn freigesprochen. Die 21 Mann wurden erschossen.
In Dieser Zeit wartete zu Hause die Familie, ob Opa zurückkommt.
Tante Anna erzählte:
Auf der Liste zu Tribunal Erschießen war auch Papa. In der Nacht legten wir immer wieder unser Ohr auf die Erde und horchten, ob nicht ein Wagen kommt. Und dann hörten wir, dass ein Wagen kommt, Es war Papa.
Opa wurde freigelassen.
Wie viele Gebete gingen zum Thron Gottes hinauf! Und was für ein gnädiger Schutz von Gott, dass er verschont blieb!

[1] AW. Heinrich Penner (1868-1938)
[2] AW. Heinrich Penner (1828-1884) und Anna, geb. Dyck (1840-1884)
[3] AW. Anna Engbrecht (1879-1943)
[4] AW. Vermutlich Abraham Wall (1881-1921), der später durch das Tribunal erschossen Wurde.

Weiter von Robert Penner:

Im Jahre 1918 ergriff einige Bauern der Trakter Ansiedlung das Auswandererfieber, worunter sich auch Onkel Iwan befand. Er verkaufte sein Anwesen in Medemtal und zog zeitweilig zu seinem Schwiegervater[1], der als Witwer mit seiner unverheirateten Tochter Maria[2] in Ostenfeld eine Bauernwirtschaft hatte. Weil es mit der Auswanderung nach Deutschland nichts wurde, blieb er dort wohnen, bis sein Schwiegervater 1922 starb und er dessen Wirtschaft übernahm und weiterführte.
Als wohlhabender, angesehener Bauer, war Onkel Iwan von der Gemeinde dort zum Dorf Ältesten und Obervorsteher gewählt worden und er versuchte auch sein Amt gewissenhaft zu verwalten.
Er muss in dieser Zeit schon ein Telefon gehabt haben. Leni meine Frau sagte:
– „Ich weiß noch, als Lenin gestorben ist, klingelte bei uns dauernd das Telefon.“
Da Onkel Iwan über genügend Pferdekräfte verfügte, hatte er es während der Nachkriegszeit übernommen, neben seinem eigenen Ackern auch das Land einiger Soldatenfrauen und armen Witwen zu bearbeiten. Eine Tat, die ihm zu damaliger Zeit von vielen hoch angerechnet worden war.
Im Jahre 1930 durchlief das ganze Land die Enteignungswelle der „Kulaken“ (reiche Großgrundbesitzer), die der Kollektivisierung voranging. Den reichen Bauern, welche auswärtige Arbeitskräfte ausnutzten und den Geschäftsleuten, die Angestellte in den Betrieben betätigten, wurde nämlich das persönliche Eigentum abgenommen und dem Staat übergeben. Ihnen selber aber wurde nach Verlassen ihrer an gestammten Wohnsitz anderwärtig Niederlassungsmöglichkeiten angewiesen, wo sie alsdann unter Aufsicht einer Kommandantur standen.
Als ich anfangs Winter 1930, aus dem Walddienst in Swerdlowsk, direkt nach dem Trakt fuhr, um mir von Leni Helene[3] ihr Jawort zu holen, hatte diese Periode auch in dieser Ansiedlung ihren Anfang genommen. Schon vor meiner Ankunft dort, hatten bei Onkel Iwan, den man zu den wohlhabenden Bauern dort zählte, so wie auch bei den anderen reichen Bauern einige Hausdurchsuchungen stattgefunden. Auch während meiner Anwesenheit kamen eines Abends einige Abgeordnete auf die Suche nach Wertsachen und obwohl resultatlos, wurden sogar Dielenbretter des Zimmers aufgerissen.
Nach diesem Vorfall musste Onkel Iwan wohl schon geahnt haben, dass ein Unheil auf sie zukommen würde, denn um Tante Anna nicht noch weiteren Aufregungen auszusetzen, schickte er sie auf einige Zeit zu Bekannten nach Saratow. Da wir mit Leni einig waren, wollten wir auch ihren Vater mit nach Alexandertal nehmen. Doch wie wir Onkel Iwan nicht beschworen, er ließ sich nicht bewegen, seinen Hof im Stich zu lassen, denn er meinte immer, dass es so nicht bleiben konnte und hoffte im Stillen auf eine baldige Änderung des Zeitgeschehens. So fuhren wir dann allein nach Saratow und von dort mit Tante Anna nach Alexandertal.
Bald nach unserer Ankunft hatten Leni und ich uns standesamtlich verschreiben lassen – mit der kirchlichen Trauung wollten wir warten bis Lenis Vater dabei sein würde. Doch wir hofften vergebens, er kam nicht. Nur sehr schwer konnte sich Onkel Iwan (ich will ihn noch so nennen, obzwar er inzwischen mein Schwiegervater geworden ist) dazu entschließen, sein Anwesen im Stich zu lassen, und, als er sich schweren Herzens dazu durchgerungen hatte, war es zu spät.
[1] AW. Cornelius Engbrecht (1842-1922), Nr. 38 in Ostenfeld 1921-22
[2] AW. Maria Engbrecht (1868-1937), Nr. 39 in Ostenfeld 1921-22
[3] AW. Helene Penner (1909-1978), Nr. 5 in Lysanderhöh 1921-22

Als anfangs des Jahres 1931 Cornelius[1] und Tinchen aus dem Trakt zu Tante Mariechens Begräbnis kamen, brachten sie die Nachricht mit, dass Vater mit Anna, so wie auch viele andere Familien, von ihren Höfen vertrieben worden waren und nun vorläufig auf einem Chutor[2] leben mussten. Auf einer Sitzung wurde beschlossen, dass die Bauern, auch Johann Penner – als Kulak von ihren Höfen ausgetrieben werden sollten, schrien die Frauen, denen er das Land bearbeiten half:
„Er ist kein Kulak er hat uns nur geholfen.“
Doch alles half nichts. Einige Zeit später schrieb Mascha (Maria Bergmann[3]), dass die Männer voraus nach Kasachstan gebracht waren und einige Zeit später die Frauen mit ihren Kindern ihnen nachgeschickt werden sollten.
Ich war schon mit Leni (Helene) verheiratet, als Anna aus Karaganda uns telefonisch die Todesnachricht ihres Vaters zusandte.
Einige Monate später, als sie selbst von dort nach Alexandertal kam, berichtete sie uns, dass die Männer auf freier Kasachstaner Steppe aus dem Zug geladen und angestellt wurden für sich hier Häuser zu bauen. Hier mussten die Männer nun in der Steppe Soden stechen und für ihren vorläufigen Unterschlupf gemeinschaftliche Baracken bauen. Dann erst konnten sie an die Ausführung ihrer Häuser herangehen. In der Steppe stand nur ein kleiner Roter Reisewaggon[4]. Die Stadt Karaganda gab es noch nicht.
Im Winter war es in den Baracken so kalt, dass als sie morgens aufstanden die Decken weiß bereift waren. Onkel Iwan, der bis dahin immer noch auf eine Änderung seiner Lebenslage gehofft, hatte nun allen Lebensmut verloren. Da er körperlich den Beschwerden der Reise nach Kasachstan nicht gewachsen war, begann er, nach der Ankunft dort, zu kränkeln. Anna, die mit den Frauen und Kindern nachgekommen war, traf ihren Vater schon auf seinem Sterbelager an, wo sie ihn nur etliche Tage pflegen konnte. Er wurde dort, einer von den ersten, auf den Maikuduker[5] Friedhof getragen.
Am schwersten hatte dieser Schicksalsschlag Lenis Mutter Anna getroffen, da sie, die ihre alte Heimat schon verloren, nun ihr weiteres Leben als Witwe in ihr fremden Umgebung allein zubringen musste.
Cornelius und Tinchen hatten beschlossen, sich nun auch in Alexandertaler Kolonie anzusiedeln, und so hielt sie sich fortan bald bei uns, bald bei Korne auf.
[1] AW. Cornelius Penner (1905-1991) und seine Ehefrau Katharina, geb. Bergen (1904-1981). Sie heirateten 1929
[2] AW. In der Nähe von Ostenfeld wurde eine provisorische Siedlung aus einigen Baracken errichtet in welche wohlhabenden Bauern mit ihren Familien einziehen mussten, obwohl ihre Häuser zum Teil leer standen. Im Volksmund wurde dieser Cutor Kulakowka genannt.
[3] AW. Maria Bergmann, geb. Penner (1901-1983), #1254335
[4] AW. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, aber ich habe schon mal von einem roten Waggon oder Haus gelesen, das war ein provisorisch eingerichtetes Krankenhaus.
[5] AW. Maikuduk ein Stadtteil von Karaganda.

Johannes Bergmann und Maria, geb. Penner. Foto E. Wall

Die älteste Tochter[1] von Johann Penner, hatte 1920 einen Witwer[2] mit zwei Kinder geheiratet.
Im Jahr 1931 war in der Ansiedlung bei Saratow eine Missernte gewesen und daher im nächsten Jahr am Trakt eine große Hungersnot entstanden. Da Johann, Bergmann Gezwungener weise eine Haft in Sachalin verbringen musste, ging es Mascha (Maria) dort schlecht. Um ihre Lage etwas zu erleichtern, fuhr Corne hin und holte drei Kinder zu uns nach Alexandertal. Hugo[3]hatten Artur Reimers übernommen, Anna[4] behielt Corne[5] bei sich und Harry[6] kam zu uns.
Erst 1934 kam Johann, oder Hans, wie er gerufen wurde, aus der Haft zurück und holte seine Kinder von uns nach Mannheim, wo er eine Buchhalterstelle hatte.
Im Jahre 1937 wurde Hans wieder verhaftet. Es war auf seinem 50. Geburtstage. Er sagte:
– „Mascha noch mal mache ich das nicht durch.“
Mascha wollte nicht allein in Mannheim bleiben. Daher schrieb sie uns, ich sollte hinkommen und sie zu uns nach Alexandertal holen. Sie kaufte das freigewordene Haus von Robert Wölk und zog, von mir reichlich mit Getreide und Kartoffeln versehen, mit ihrer Familie nach Neuhoffnung. Hier wurde auch ihr Söhnchen Otto[7] begraben.

1941 wurden Maria Bergmann auch nach Kasachstan ausgesiedelt und kamen nach Karaganda.
[1] AW. Maria Penner (1901-1983), #1254335 heiratete Johannes Bergmann (1887-1938), #1254544
[2] AW. Johannes Bergmann (1887-1938), #1254544. Er hatte aus seiner ersten Ehe mit Katharina Aron Töws (?-1918), #1031078 zwei Kinder Hans (1913-1928), #1215550 und Käthe (1915-2000), #1226165.
[3] AW. Hugo Bergmann (1927-1980), #781049
[4] AW. Anna Bergmann (1928-2001), #781054
[5] AW. Cornelius Bergmann (1922-1942),
[6] AW. Harry Bergmann (1923-2016), #408103
[7] AW. Otto Bergmann (1938-1939), keine GRANDMA nummer

Hans Bergmann[1] (der Sohn) erzählt:
– „1943 wurde Mama in die Trudarmee nach Uchta (Komi ASSR) genommen. Sie arbeitete bei den Ölschachten.
Die jüngsten Kinder kamen in verschiedene Kinderheime. Maria[2] war mit Edwin[3] in einem Kinderheim.“
Maria erzählte mal:
– „Ich merkte, dass Edwin traurig war und immer magerer wurde. Eines Tages fragte ich ihm nach der Ursache, ob er krank sei. Da antwortete er.“
– „Die Jungs nehmen mir immer das Stück Brot, das ich bekomme fort, und drohen mir, wenn ich es sage, sie mich schlagen werden.“ So fing ich an mein Stückchen Brot, das ich bekam, mit ihm zu teilen.“

Robert Penner schrieb weiter:

Die ältesten Kinder mussten arbeiten. 1946 kam Mascha aus dem Arbeitsdienst zurück und holte ihre Kinder nach Hause.
Cornelius, der älteste Sohn, starb im Arbeitsdienst 1942 in Tscheljabinsk.
Maria Bergmann geb. Penner, starb am 14.05.1983 im Alter von 82 Jahren in Karaganda.
[1] AW. Johannes Bergmann (*1930), #781055
[2] AW. Maria Bergmann (1932-1972), keine GRANDMA
[3] AW. Edwin Bergmann (1935-2004), keine GRANDMA

Robert und Helene Penner. Foto E. Wall
Cornelius Penner mit Katharina, geb. Bergem. Foto E. Wall
Johannes Penner. Foto E. Wall

Johann Penner 15.02.1872-24.08.1931

aufgeschrieben von seinem Sohn Cornelius Penner:

Früh verwaist kam mein Vater in die Ansiedlung „Molotschnaja“ in die Lehre zu einem Schustermeister. Dorthin kam auch seine Schwester Maria in die Schneiderlehre. Sie hat dann auch in einer reichen Familie als Näherin im Hause gearbeitet. Nach etlichen Jahren kehrte sie in ihre alte Heimat nach Alexandertal zurück.
Aus mir unbekannten Gründen kam mein Vater in die Ansiedlung „Am Trakt.“ Dort hat er eine Zeitlang als Schuster gearbeitet, dann war er Verwalter bei einer reichen Witwe, Frau Neufeld. Im Juni 1900 heiratete er Anna geb. Engbrecht (05.10.1879-04.1943).
Mit Hilfe des Schwiegervaters konnten sie auf dem Pachtland, 25 km vom Dorf entfernt, sich eine Wirtschaft einrichten. Aber die Kinder wurden Schulpflichtig und die Eltern kauften 1908/09 wieder durch Vermittlung des Schwiegervaters, eine Wirtschaft mit 65 Des. Land.

Foto E. Wall

Die Wirtschaft wurde bedeutend ausgebaut. Nahe dabei lag ein Grundstück des Schwiegervaters, welches er auch den Eltern übergab. Somit hatten die Eltern die Möglichkeit bis zu 1917 eine Wirtschaft mit 130 Deßjatinen Land zu führen. In den Kriegsjahren 1914-17 hatte Vater von etlichen Frauen, deren Männer im Kriegsdienst waren, die Arbeitspferde (2-3 Pferde) übernommen und bearbeitete teilweise deren Land. Dadurch wurden diese Familien unterhalten mit Getreide und Futter für das Vieh.
Mit dieser Belastung führten die Eltern in diesen Kriegsjahren eine große Wirtschaft. Das war dann auch für mich, damals 10-12 Jahre alt eine gute Arbeitsschule, denn in der Erntezeit musste ich vollständig von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, an den Feldarbeiten teilnehmen. Da war z.B. eine Mähmaschine, die das Getreide durch einen speziellen Bindeapparat in Garben band, wozu es den entsprechenden gang gab. Dieser Mähbinder wurde mit 4 Pferden gezogen, zwei in der Deichsel und zwei vorne. Das war nun bei dem Mähen meine Arbeit auf einem der hinteren Pferde reitend, die vordere zwei an der Leine, dieses Viergespann zu dirigieren. Und das von früh bis spät. Die Pferde wurden 3mal gewechselt, das gab dann 4 Schichten. In diesen Kriegsjahren waren dann bei uns 3-4 Mähbinder in Gang. Dann ging das Dreschen los, wo es auch wieder für mich eine entsprechende Arbeit gab.
Zurückdenkend sehe ich diese Zeit: es war eine durch Arbeit gespannte aber anspornende Zeit.
Dann kam die Revolution… . Im Sommer 1917 arbeitete in der Stadt Saratow eine Deutsche Botschaft. Die Botschaft wollte den Deutschen die Möglichkeit geben, nach Deutschland zu emigrieren. Denjenigen, die den Wunsch äußerten, auszufahren, gab die Botschaft einen Schutzschein. Ein Zeugnis, das diese Person unter dem Schutz des Deutschen Reiches stand.
Unsere Eltern und Onkel Heinrich Engbrecht traten mit dieser Botschaft in Verbindung. Sie bekamen auch einen „Schutzschein“. Sie verkauften ihr zu jener Zeit nicht geringes Vermögen und übergaben den Erlös der deutschen Botschaft. Das Geld wurde nach Deutschland überführt.
Doch nach der Oktoberrevolution wurde die deutsche Botschaft aufgelöst. Die Vertreter der Botschaft kehrten in ihre Heimat zurück. Wir aber blieben ohne Haus und Hof und ohne Geld zurück (nach einem alten Sprichwort: arm wie eine Kirchenmaus).
Wir bezogen eine Notwohnung. Onkel Heinrich Engbrecht, durch die Verhältnisse gezwungen, gelang es über die polnische Grenze nach Deutschland zu kommen. Dort kam er in Besitz seines und auch unseres Geldes. Aber in der wirtschaftlichen Krise jener Jahre ist er dieses Geldes verlustig gegangen. Auf einem Landgut als Vorarbeiter arbeitend, ist er 1924 an Lungenentzündung gestorben. Seine drei Kinder blieben absolut mittellos zurück. Seine beiden Söhne, Hermann und Cornelius sind im zweiten Weltkrieg an der Ostfront umgekommen.
[Einmal kam Urgroßvater zu uns und erzählte, dass er noch einmal Urgroßvater geworden ist. Beim Abschied sagte er: „Auf- Wiedersehen, wenn nicht hier dann droben.“ Großmutter sagte zu ihm: „Vater du bist ja noch so rüstig.“ Er antwortete: „Ein Tag wird der letzte sein, den wir auf Erden wandeln.“ Sie sahen ihn danach auch nicht mehr lebend. (Eine Erinnerung von Heinrich Penner).]
Nachdem Großvater im Jahr 1922 gestorben war, und Tante Maria als Erbin der Wirtschaft zurückgeblieben war, übernahmen unsere Eltern, auf bestimmten ausgesprochenen Wunsch der Tante Maria, die Wirtschaft. Das war wieder ein Neuanfang. Für Tante Maria wurde ein Wohnzimmer ausgebaut, ihr wurde ein sorgenfreies Auskommen gesichert. Mit Hilfe (Kredite) des Landwirtschaftlichen Vereins konnten zwei Arbeitspferde, eine Getreidemähmaschine und eine Grasmähmaschine gekauft werden, guter Samenweizen wurde auch durch den Verein vermittelt. Unter Mitwirkung des Vereins entwickelte sich eine intensive Milchwirtschaft. Fördernd wirkte auch die „Neue Ökonomische Politik (NEP)“. Bis zu Ende 1928 hatten wir eine lebensfähige Bauernwirtschaft (4 Arbeitspferde, 5 Melkkühe, verschiedenes Jungvieh und die notwendigen Landwirtschaftlichen Maschinen, 65 Deßjatinen Land).
Im Dezember 1929 setzte die Kollektivwirtschaft ein. Außer einer Kuh, Schweine und Hühner ging der ganze Viehbestand und landwirtschaftliches Inventar in die Kollektive über. Ende 1930 wurde unsere Familie als *„Kulaken“ anerkannt und das Stimmrecht entzogen.
Schwester Mascha (Maria) hatte 1920 einen Witwer Johann Bergmann mit zwei Kindern geheiratet. Schwester Helene war 1929 nach Alexandertal gefahren um bei ihrer Cousine Agneta sich in der Näherei zu praktizieren. Dort hatte sie ihren Bräutigam, Robert Penner und Mama folgte ihr im Herbst 1930, um bei ihrer Hochzeit zugegen zu sein.
Mittlerweile hatte man unweit unseres Dorfes Baracken aufgebaut, wo die „Kulaken“ konzentriert werden sollten. Im Dezember gingen wir aus unserem Haus mit dem, was wir auf unserem Leibe hatten. Mit ganz unentbehrlichen Betten versehen, wurden wir, unser Vater, meine Schwester Anna, ich mit Frau und einem einjährigen Kind in eine der Baracken transportiert. Nun waren wir zum zweiten Male „arm wie eine Kirchenmaus“.
Hier muss ich etwas zurückgreifen… Wenn unser Vater von Alexandertal nach dem „Trakt“ geheiratet hatte, so fand ich meine Braut in Alexandertal. Hier in der Kulaken Baracke gelandet, entschlossen meine Frau und ich uns, nach Alexandertal zu ihren Geschwistern zu fahren.
Unser Vater konnte den Zusammenbruch seiner Vorstellungen über das wirtschaftliche und politische System nicht erfassen; er stand dem Neuen fassungslos und hilflos gegenüber und ist darüber psychisch und physisch zusammengebrochen. Und als er im Sommer 1931 mit einer Gruppe Repressiveren in Karaganda ankam, ist er nach zwei Monaten im Alter von 59 Jahren gestorben.
Unsere Mutter kam im Dezember 1941 mit der Familie ihrer Tochter Helene nach Kasachstan in einen Aul Akshar. Auf dem Wege gingen ihnen alle ihre zu Hause in Kisten verpackte Kleider, Wäsche und Betten verloren.
Hunger, schlechte Wohnungsverhältnisse… . Dazu nach kurzer Zeit fast buchstäblich nackt, auf dem Erdboden in einer spärlichen Strohhütte schlafend – ist Mutter nach zwei Jahren im größten Elend, im Alter von 63 Jahren gestorben.

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