Briefe von Bernhard Epp (1831-1900)

Diese Briefe mit Kommentaren habe ich von Viktor Petkau zugeschickt bekommen. Er schreibt, dass es in den Jahren 1935-1943 eine Zeitschrift: „Mitteilungen des Sippenverbandes Danziger Mennoniten-Famillen. Epp – Kauenhewen – Zimermann“, herausgegeben von Dr. Kurt Kauenhoven, Göttingen gab. Viktor Petkau hat aus drei Publikationen (1942) Artikel über die Kolonie Am Trakt rausgesucht. Ich habe mit Hilfe eines Texterkennungsprogramm die gotische Schrift in Druckschrift umgewandelt und eigene <Kommentare> hinzugefügt. Weil die Briefe schon der Redaktion als Abschriften vorlagen, könnten durch den Druck und meine Bearbeitung Abweichungen von Originalen entstehen. Zum Vergleich kann ich nur PDFs von den Zeitschriften anbieten. Hier im zweiten Teil sind Briefe, die Bernherd Epp (1831 – 1900), GRANDMA #342311 aus Hahnsau an seinen Cousin Peter Braun <#387853> nach Preußen geschrieben hat. AW. 

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Aus dem Leben westpreußischer Mennoniten in den Ansiedlungen
„Am Trakt“ im Wolgagebiet
 

Briefe von Bernhard Epp, Hahnsau, aus den Jahren 1854—1892. Unter Mitwirkung von Bernhard Harder, Hamburg-Altona, B. H. Unruh, Karlsruhe, und Kurt Kauenhowen, Göttingen, mitgeteilt von Gustav Reimer, Heubuden
Im Nachlass meines Großvaters Peter Braun befanden sich die nachstehenden Briefe seines Vetters Bernhard Epp aus Hahns-Au, die in mancher Beziehung bedeutungsvoll sind. Allgemein kamen die Auswanderer infolge der großen Ertragsfähigkeit des Bodens und der günstigen klimatischen Verhältnisse, bald zu einem gewissen Wohlstand. Hier wird uns aber gezeigt, wie einige hintereinander folgende Missernten einen ganzen Bezirk in eine große Notlage bringen konnten. Es zeigt sich aber auch, dass man in solchen Fällen, sowohl in der alten Heimat als auch in älteren Siedlungen in Russland, die von dieser Not nicht betroffen waren, gerne zur Hilfeleistung bereit war.
Der Schreiber dieser Briefe, Bernhard Epp, wurde am 20. Juni 1831 zu Simonsdorf, Kr. Marienburg geboren. 1852 war er mit seinem älteren Bruder Franz nach Samara ausgewandert. Sein Vater Franz Epp, der anfänglich in Simonsdorf wohnte, übernahm 1833 die väterliche Wirtschaft in Schönsee. 1862 wanderte er gleichfalls nach Russland aus. Er war ein Bruder von Claas Epp – Fürstenwerder, der in den 1850er Jahren die Auswanderung geleitet hatte.
Die Mutter von Bernhard Epp war Maria, geb. Wiebe, geb. am 31. 8. 1808 zu Ladekopp als Tochter des Peter Wiebe und seiner zweiten Ehefrau Helena geb. Bergmann. Sie ist bald nach seiner Geburt gestorben. In zweiter Ehe hatte sein Vater Helene Claaßen geheiratet, eine Tochter von Peter Claaßen-Heubuden, der auch aus Schönsee gebürtig war. Da die Mutter von Franz Epp Maria, geb. Bergmann, war, waren er und seine erste Frau Geschwisterkinder.
Wie man es in vielen Mennonitenfamilien beobachten kann, so war es auch in der Familie Epp. Der Begriff von Stiefeltern oder Halbgefchwistern war gänzlich unbekannt. Auch die Angehörigen derselben wurden wie eigene Blutsverwandte behandelt. „Onkel Abraham Claaßen“, dem er so viele Wohltaten zu danken hatte, war ein ledig gebliebener Bruder seiner Stiefmutter. „Vetter Cornelius Janßen“-Vierzehnhuben, der ihn in Russland besucht hatte und mit dem ihn innige Freundschaft verband, war der Sohn einer älteren Halbschwester seiner Mutter. Dagegen waren die Mutter von Peter Braun, Helena geb. Wiebe, Peter Wiebe-Ladekopp, der Vater des genannten Peter Wiebe und Aron Wiebe, Tiegenhof, rechte Geschwister seiner Mutter.
Weiteres über den Schreiber unserer Briefe, seine Familie und andere von ihm genannte Personen berichtet Bernhard Harder, Hamburg

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Altona, nach eigenen Erinnerungen: „Die in Frage stehende Familie Bernhard Epp war mir persönlich bekannt. Den Vater habe ich nicht kenengelernt, wohl aber die Söhne: Bernhard, Franz und Peter Epp, die gemeinsam dort am Trakt eine größere Maschinenwerkstatt begründeten mit der Absicht, sie zu einer Fabrik auszubauen. Franz Epp war Junggeselle und ist als erster in jener Kolonie erschossen worden. Es handelt sich dabei um einen Racheakt eines früher von ihm in der Werkstatt beschäftigten Arbeiters. Die Brüder des Bernhard Epp (Vater) lebten in der Allerxandertaler Kolonie (s. u.). Es handelt sich dabei um den in den Briefen erwähnten Johann Epp und seinen älteren Bruder Jakob Epp, die ich persönlich gut kannte, und auch deren Kinder sind mir alle bekannt. Ein Sohn des in den Briefen erwähnten „Obervorstehers“ Johann Bergmann: Julius Bergmann <Julius Bergmann (1880-1965), #1157806 war ein Sohn von Peter Bergmann (1850-1934), #19137, dem Bruder des Obervorsteher Johannes Bergmann (1844-1836), #991212. AW> war anfangs der 20er Jahre als Emigrant nach Deutschland gekommen und lebte bei seinem Schwiegervater Cornelius Andres, Marienburg-Sandhof. Er ging mit seiner Familie später, etwa 1922, wieder zurück und hoffte, die ihm am Trakt gehörige Motormühle wieder zurückerlangen zu können <Julius Bergmann konnte seine Motormühle in Lysanderhöh in der Zeit der NÖP – bis 1927 weiterhin betreiben. Danach wurde er endgültig enteignet und 1931 mit seiner Familie nach Karaganda verbannt. AW>. Ebenso ist mir der erwähnte Älteste Quiring gut bekannt. Sein Sohn Jakob Quiring ist der in der Geschichte von P. Friesen erwähnte Reiseprediger, dessen Bild sich auch in der Geschichte befindet. Er hat später in Deutschland und Amerika ununterbrochen weiterstudiert und war bei meinem Besuch 1935 in Amerika Professor an der New Yorker Universität. Dieser Jakob Quiring war einer der begabtesten Prediger und Redner, die das Mennonitentum auszuweisen hat.“
Über den Begründer der Ansiedlungen „Am Trakt“, zu denen auch Bernhard Epps Wohnsitz Hahnsau gehörte, Claas Epp (vgl. das vorige Heft unserer Mitt.) stellt uns Bernhard Harder folgende Ergänzungen zur Verfügung:
„Die Abgeordneten Claaß Epp und Johann Wall reisten zunächst nach dem Gouvernement Taurien zu den Mennonitensiedlungen an der Molotichna, um sich dort über Siedlungsfragen beraten zu lassen. Nach einiger Zeit brachen sie von dort auf, um nach Saratow zu reisen, wo sie mit einem Vertreter der russischen Regierung zusammentrafen, der ihnen 3 verschiedene Gebiete zur Siedlung anbot, darunter auch jenes Gebiet, das einige Jahre später von 1859-1865, im Norden von der Stadt Samara, ebenfalls durch westpreußische Mennoniten besiedelt wurde. (Die Kolonie mit dem Zentrum Alexandertal, ca. 110 km von Samara entfernt).
Der weiten Entfernung vom Absatzpunkt der C. Epp und Johann Wall gezeigten Gebiete halber, entschlossen sie sich, das Steppengebiet am Salztrakt zu besiedeln mit dem Zentrum Köppental. Die Siedlung war aber nicht, wie Mennonit. Lexikon III, 4 angegeben 90 bis 100 km von Saratow entfernt, sondern knapp 50 km. Saratow liegt am rechten Wolgaufer, auf der linken Seite Saratow gegenüber lag der Ort Pokrowskoje <Pokrowsk>, im Volksmunde „Kosakenstadt“ genannt. Von dort waren es 45 km bis zu den erwähnten Kolonien. Ich bin mehrfach dort gewesen den Weg per Wagen zurückgelegt. Die Dörfer am Trakt sind mir alle persönlich bekannt.
Claaß Epp ist dann auch einige Jahre später als Mitbegründer der jüngsten Originalkolonie in Russland, eben der obenerwähnten Kolonie Alexandertal, der ich entstamme, tätig gewesen und wählte das erste Land: stück, das an der Poststraße lag, für sich, um die von Samara kommenden Regierungsbeamten bei der Ankunft in der Kolonie empfangen zu können. Nach seinem Tode erbte dieses Landgut sein Sohn David Epp, der es etwa 1908 dann verkaufte und sich auf ein Altenteil zurückzog. Der älteste Sohn des Claaß Epp ist der bekannte Claaß Epp, der ein Landstück in der Kolonie am Trakt besaß und später, als Führer und Prophet

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der chiliastischen Bewegung, die eine Gruppe Mennonitenfamilien vom Traft veranlaßte nach Chiwa und Aulie-Ata auszuwandern, um dort einen „Bergungsort“ zu suchen, eine traurige Berühmtheit erlangte. Dieser Claas Epp der jüngere ist dann in einem Garten des Chans von Chiwa mit einigen wenigen Familien wohnhaft gewesen, und dort nach verschiedenen religiösen Irrungen gestorben. Darüber gibt es nur ein Büchlein m. W., und zwar das von Lehrer Franz Bartsch: „Unser Auszug nach Mittelasien.“ Mit Franz Bartsch und verschiedenen Mennoniten aus Aulie-Ata, war ich persönlich gut bekannt. Wir haben öfters über diese Fragen gesprochen.
Es ist nicht gut möglich, Claaß Epp einem Cornies an die Seite zu stellen. Ich selbst habe Claaß nicht gekannt, wohl aber viele, die ihn kannten, und die mir dann über ihn berichteten. Er sowohl, als auch seine Söhne waren etwas sonderbar veranlagt. Auch David Epp, den ich gut kannte, mit dem ich mich häufig unterhalten habe, war ein Sonderling. Sein Vater hatte nach Aussagen der Siedler der Alexandertaler Kolonie das Bestreben, eine Berühmtheit zu werden, wozu ihm die dazu nötigen Charaktereigenschaften, Begabung und Voraussetzung fehlten. In seinem Sohne Claaß Epp scheint dieser Zug ebenfalls vorhanden gewesen zu sein. Er machte den Versuch, auf dem Verwaltungsgebiete der Kolonie am Trakt führend zu werden, als das misslang, machte er den gleichen Versuch auf dem Gebiet des kirchlichen Lebens und nachdem auch das scheiterte, kam er auf den religiösen Spleen der Chiliasten, der dann zu der erwähnten Auswanderung nach Mittelasien führte. David Epp hat niemals Bedeutung innerhalb des Koloniallebens gehabt.“
Über die Vorgeschichte der Gründung der Kolonie „Am Trakt“ haben wir im vorigen Heft berichtet. Wertvolle Ergänzungen dazu finden sich in dem von einem Augenzeugen geschriebenen, heute selten gewordenen Buch von M. Klaassen: Geschichte der taufgesinnten Gemeinden, Danzig 1873 (1), worauf uns Bernhard Harder aufmerksam machte. Klaassen berichtet: Weil die allgemeine Auswanderung nach der Molotschna seit 1839 geschloffen war und die seitdem deswegen nur flau fortgeführten weiteren Unterhandlungen keine Erfolge hatten, beschloss man auf einer Brüder Mennoniten)-Zusammenkunft am 23. Mai 1850 zu Koscelitzke (heute Warnau bei Marienburg), zunächst eine Deputation zu den Brüdern im südlichen Russland abzuordnen, um unter deren Beirat die ferneren notwendigen Schritte einzuleiten. Infolge dieses Beschlusses reisten die Brüder Johanni Wall, Lehrer der Gemeinde zu Ladekopp und Claaß Epp von Fürstenwerder bald darauf nach der Molotschna, Gouv. Taurien, ab, und Gott war mit ihnen und begleitete ihr wichtiges Unternehmen sichtbar mit seinem Segeit. Durch den wirklichen Staatsrat, Herrn Peter von Köppen, von St. Petersburg, mit dem Seine Hand sie dort zusammenführte und der sich mit dem herzlichsten Wohlwollen ihrer Sache annahm, gelang es, ohne Mühe mit der Regierung in Unterhandlung zu treten und dieselbe für unsere Wünsche geneigt zu machen. Im Herbst noch kehrten die Deputierten in die Heimat zurück und im Sommer 1851 erhielten sie durch Herrn von Köppen die Mitteilung, dass es einhundert Mennonitenfamilien allergnädigst gestattet sei, nach Russland zu ziehen.
Damit nun aber die Feststellung der näheren eigentlichen Bedingungen sich nicht noch Jahre lang hinzöge, erhielten die Deputierten die Aufforderung, eine zweite Deputation nach der Hauptstadt Russlands selbst zu senden, und an Ort und Stelle die Sache zu fördern und sie möglichst bald zu einem guten Ende zu führen. Dies geschah. Im Herbst 1851 reisten die Brüder Glaaß Epp und Isaak Claaßen von Kl. Lichtenau nach Petersburg. Auch hier war der Herr wieder augenscheinlich mit den Deputierten. Doch schien die Angelegenheit an der von den Deputierten

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gestellten Bitte um gänzliche Befreiung vom Militärdienste auch hier Hindernis nehmen zu wollen und gerade dem festen, im Glauben wankellosen Beharren auf dieser Bedingung hatten es schließlich die Deputierten zu verdanken, dass endlich seine Majestät der Kaiser das große Wort: „Freiheit vom Militärdienste für sie und ihre Nachkommen“ aussprach.
Mit diesen Erfolgen kehrten sie dankerfüllten Herzens abermal in die Heimat zurück, und so kam unter Gottes wunderbarem, gnädigem Walten eine neue Auswanderung zu Stande, welche im Jahre 1852 begann und in Folge deren zunächst im Jahre 1854 die Ansiedlung auf dem Salztrakte im Samarischen Gouvernement und durch spätere besondere Gunsterweisung der hohen russischen Behörde seit 1859 die zweite ober halb Samara entstand.“
Über die weitere Entwicklung der Siedlungen „Am Trakt“ berichtet P. Sinner in seiner kurzgefassten Geschichte der deutschen Wolga Kolonien“ (5): Die Mennoniten kamen unmittelbar aus Norddeutschland, aus der Gegend von Danzig, und siedelten sich 1853-74 in folgenden Dörfern an: Hahnsau, Köppental, Lindenau, Fresenheim, Walujews dorf, Hohendorf, Lysanderhöh, Orloff, Osteneld und Medemtal. Die Mennoniten bekamen auf jede Familie ihre 65 Dess. Land einzeln hingemesien und führten sofort ihre hergebrachte Hofwirtschaft ein. Gleich ihren Glaubensgenossen, die bereits unter Katharina II. und Alexander I. in Südrußland angesiedelt worden waren, erhielten sie besondere Vorrechte, darunter das der Befreiung von der Militärpflicht, gemäß ihrer religiösen Überzeugung, wogegen sie eine besondere Militärsteuer zu errichten haben. Sie hatten erhebliche Mittel mitgebracht und bekamen außerdem die üblichen Unterstützungen von der Regierung. Für diese Mittel bauten sie sich sofort bequeme Häuser und Wirtschaften (Hofstellen) und begannen eine intensive Bauerei (Landwirtschaft) zu betreiben. Sehr bald erzielten sie gute Erfolge, brachten es zu einem beträchtlichen Wohlstand und konnten nicht bloß der russischen Bevölkerung, sondern auch den übrigen Kolonisten als Vorbild einer Musterwirtschaft dienen. Sie führten Futtergräserkultur ein, wandten alle neuesten landwirtschaftlichen Maschinen an, die auf ihrer eigenen Fabrik in Köppental erbaut wurden. Auch betrieben sie von Anfang an Rasseviehzucht; sie bildeten eine eigene edle Pferderasse in ihren Gestüten; an Rindvieh hielten sie nur Holländer und Simmenthaler; an Schweinen führten sie die englische Rasse (York-Shire) ein usw. Kurzum, sie sind in jeder Hinsicht, auch in geistig-kultureller, der übrigen Bevölkerung weit voraus. Ihr Beispiel konnte einen wohltuenden, fördernden Einfluss nicht verfehlen.“
Bonwetsch (3) vergleicht die Mennonitensiedlungen im Wolgagebiet mit den übrigen deutschen Wolgakolonien und kommt zu folgendem Ergebnis: „Obwohl sie (die Mennoniten) genau die gleichen Schwierigkeiten zu überwinden hatten wie die anderen Ansiedler, auch nicht mehr Boden oder besondere Privilegien erhielten, vielmehr sogar der Rekrutenpflicht in Form einer Geldzahlung zu genügen hatten, haben diese mennonitischen Wolgakolonien eine völlig andere Entwicklung genommen. Mancherlei wirkte zusammen: die Kenntnis neuer landwirtschaftlicher Methoden, die sie aus der Heimat mitbrachten, bessere Schulbildung, die sich in ihrer Stellung zu technischen Errungenschaften und den Erkenntnissen einer rationellen Bewirtschaftung bemerkbar machte, nicht zuletzt aber der stetige Fleiß, der infolge der strengen Lebensführung keine Ablenkung erfuhr, und die brüderliche Gemeinschaft, die sich von dem unfriedlichen Geist vieler anderen Kolonien vorteilhaft abhob. So sind diese kleinen mennonitischen Siedlungen wahre Musterkolonien geworden und hätten Befruchtend und anregend auf den landwirtschaftlichen Betrieb unter Deutschen und Russen wirten können.“

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Das geistige Leben der mennonitischen Wolgasiedlungen schildert Bernhard Harder aus eigener Anschauung mit folgenden Worten: „Erklärlicherweise hatten nur noch die beiden Kolonien Am Trakt und Alexandertal einen engeren Kontakt mit der alten Heimat in Preußen. Fast alle Familien standen in brieflichem Verkehr mit ihren Verwandten in Preußen. Außerdem wurden fast in allen Familien Zeitschriften aus Deutschland bezogen. Man las außer einigen Tagesblättern: „Der Christenbote“ (Weitbrecht, Stuttgart), „Der Wächter unterm Kreuz“ (Neufalz a. d. Oder), „Immergrün“, „Grüß Gott“, „Der Kinderbote“ (Elberfelder Erziehungsverein), „Für alle“, „Über Land und Meer“ und verschiedene andere Unterhaltungsliteratur. Auch Bücher wurden durch die deutsche Buchhandlung Alexander Stieda, später Walther und Rappa (Riga) vielfach bezogen, ebenso auch auf direktem Wege. In den anderen älteren mennonitischen Kolonien konnte man nur spärliche und seltene Reste der Verbindung mit dem Heimatland Deutschland finden. Daraus erklärt sich auch, dass in den beiden erwähnten deutschen Kolonien noch ein starker deutscher Patriotismus lebte, der in den älteren Kolonien nicht mehr zu finden war. Dort gab es wohl ein deutsches Vollsbewusstsein, aber auch schon viele russische Patrioten, wie das auch in der Geschichte Friesens zum Ausdruck kommt.“ Eine starke Stütze dieses deutschen Volksbewusstseins bildete die heimatliche plattdeutsche Umgangssprache, die auch in den mennonitischen Wolgakolonien treu bewahrt wurde. Georg Dinges (5) hat uns einige Proben davon nach der Aufzeichnungen der Lehrerin Helene Janzen aus Köppental überliefert, z. B. Dou kohla en den oowa, dat de maalk boul tou kooka anfangt. (Tue Kohlen in den Ofen, dass die Milch bald zu kochen anfängt.) Miin lewetkind, bliif hi one schdohne, sonst biita dii di jänts duut. (Mein liebes Kind, bleib hier unten stehn, sonst beißen dich die Gänse tot.)
Eine umfassende Darstellung der Kolonien „Am Trait“ in wirtschaftlicher und volkskundlicher Hinsicht lieferte 1923 der Russe W. E. Sjurjukin (4), Dozent am Institut für Volkswirtschaft in Saratow <Zum Buch von Sjurjukin, Russisch. AW>. Aus seinem Buch stammen die folgenden Angaben über Hahnsau, die wir der Freundlichkeit von Prof. B. H. Unruh, Karlsruhe, verdanken. Hahnsau, wo der Schreiber unserer Briefe ansässig war, wurde als erstes Dorf der Siedlung „Am Trakt“ 1854 begründet und erhielt seinem Namen nach dem Förderer der Mennonitensiedlungen in Russland Staatsrat Eduard von Hahn. Die ersten Ansiedler in Hahnsau bestanden aus 25 Landwirtsfamilien mit 163 Köpfen und aus mehreren Handwerkerfamilien mit 23 Köpfen. Auf je drei Bauernfamilien durfte eine Handwerkerfamilie mitgebracht werden. 1854 hatte Hahnsau 207 Einwohner, im Jahre 1922 dagegen 1620 <Im Buch von Surükin steht, dass das die Einwohnerzahlen der gesamten Kolonie Am Trakt und nicht von Hahnsau sind. AW>. Im Jahre 1918 wurde den Kolonien das gekaufte Land abgenommen, und außerdem mussten die Bauern in den Dörfern ihr Land mit allen Einwohnern der betreffenden Kolonie teilen. Über die Entwicklung in der Bolschewistenzeit besitzen wir keine Nachrichten. Es ist nur zu vermuten, dass auch die Bewohner der Mennonitenkolonien an der Wolga „umgesiedelt“ worden sind, soweit sie nach den Revolutionsereignissen und Hungersnöten während der Bolichewistenherrschaft noch am Leben geblieben sind.
Die schwere wirtschaftliche Notlage, in die die deutschen Wolgakolonien und mit ihnen die Siedlungen „Am Trakt“ in den Jahren 1889 bis 1892 durch dauernde Missernten geraten waren, findet in unseren Briefen einen erschütternden Ausdruck. Die Gründe für diese Missernten sieht Nathanael Bonwetsch in seiner damals anonym erschienenen kleinen Schrift (2) in dem Regenmangel, dem landwirtschaftlichen Raubbau, dem Zurücktreten des Grundwassers und in den Mir-System. Der erste und der lebte Grund treffen für die Mennonitenkolonien an der Wolga sicher nicht zu, wie auch Gerhard Bonwetsch (3) bezeugt: „Unge wöhnliche,

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jahrelang sich wiederholende Dürre trägt die Schuld daran.
Denn alle Wolgakolonien haben gleichmäßig darunter gelitten, Berg und Wiesenseite, Alt- und Neukolonien, die Anhänger altertümlicher Raubwirtschaft so sehr wie die Mennoniten, die alle Regeln moderner Landwirtschaft befolgten. Nur dass diese sich wieder schneller emporarbeiten konnten, weil sie sofort aus der Heimat eine so reichliche Unterstützung empfingen, dass die kleine Schar nicht lange Not zu leiden hatte.“ Von dieser Hilfsbereitschaft der in der Heimat verbliebenen Blutsverwandten legen auch unsere Briefe ein schönes Zeugnis ab. Aus eigenen Erinnerungen berichtet Bernhard Harder, Hamburg-Altona, über die Missernte von 1891: ,,Die Trakter Kolonie hat häufig an schweren Missernten gelitten. Ursache: ein ausgesprochen waldloses Steppenland, wo immer ein Mangel an Niederschlagen herrschte. Die sommerliche Dürre, bei starker Hitze, dörrte den Boden aus. Im Jahre 1891 wurde der ganzen Osten durch eine Dürre heimgesucht, und auch die Alexandertaler Kolonie wurde schwer dadurch betroffen. In der Umgebung herrschte überall Hunger. Scharen von Bettlern zogen umher, und viele erfroren im Winter. Ich kann mich erinnern, dass ich als Junge damals an einem Tage 91 Bettlern je eine Scheibe Brot reichen musste. Ende des Winters wurden dann von den Bauern der Alexandertaler Kolonie Brotmehl und Kartoffeln gesammelt, die dann fuhrenweise in die hungernden Tataren- und Mordwinen-Dörfer gratis zur Verteilung gelangten. Unsere Kolonie hat nur selten unter solchen klimatischen Verhältnissen gelitten, denn wir hatten viele Wälder in der Umgegend und selbst in den Kolonien gab es Wälder. Außerdem war es nicht so ebenes Steppenland wie am Trakt, sondern mehr Hügelland. Auch der Boden war besser. Wir hatten 3/4 m tiefschwarze Humusschicht, darunter fetten roten Lehm, während am Trakt der Boden etwas lehmig und sandig war und daher viel schneller austrocknete. Bei genügenden Niederschlagmengen gab es auch am Trakt gute Ernten. Dort wurde schon seit Beginn der Siedlung Sommerweizen gesät, der im Preise höher war als die anderen Getreidearten, und deshalb wurden bei einer guten Ernte leicht einige Jahre schwache oder auch Missernten Wirtschaftlich überwunden.“
Die Abbildungen zu unseren Epp-Briefen aus Hahnsau sollen ein mal eine Vorstellung von der geographischen Lage der Kolonien „Am Trakt“ geben, zum anderen sollen sie eine Anschauung von dem Aussehen und der Einrichtung der dortigen Mennonitengehöfte vermitteln. Ein Vergleich des Hofes des Empfängers unserer Briefe, Peter Braun in Heubuden, Westpreußen, mit den aus Sjurjulin (4) entnommenen Bild des Hofes Epp in Köppental beweist schlagend, wie stark die westpreußischen Bauern auch an der Wolga an den überlieferten Heimatlichen Baugewohnheiten festhielten. Es lässt sich leider nicht sagen, ob der Epp-Hof unserer Abbildung der Hof Bernhard Epps, des Schreibers unserer Briefe, ist. Der aus dem Buch von König (6) nach Sjúrjukin entnommene Grundriss eines Mennonitenhauses in Köppental ermöglicht einen Vergleich mit dem Grundriss eines Mennonitenhauses aus der Ukraine, den wir in unseren Mitt. 1941/5 S. 135 veröffentlicht haben. Auch hier finden wir eine fast völlige Übereinstimmung.
Unsere Epp-Briefe aus Hahnsau finden eine Ergänzung in unseren früheren Veröffentlichungen aus der Kolonie „Am Trakt“, in den beiden Aufsätzen Brief des Jakob von Riesen aus Köppental 1861″, Mitt. 1940, S. 170_73 und „Eine Vollmacht aus der russlanddeutschen Familie Riesen in Köppental 1873″, Mitt. 1940, S. 173–175.
Wir bitten unsere Leser um freundliche Überlassung von weiteren Briefen, Urkunden und Bildern aus dem Leben unserer Sippenangehörigen in der Ukraine und an der Wolga.

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Зюрюкин S.211. Wirtschaft von Gerhard D. Thießen in Köppental. AW
Das Wohnhaus von Gerhard D. Thießen in Köppental von der Strasse. AW

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Priwalnaja den 9. April 54

An H. Peter Braun[1]  <#387853> in Schönsee.

Geliebter Vetter!

Verzeihe, dass ich bis jetzt noch keinen Brief an Dich geschrieben habe, denn da der Bruder[2] ein paarmal geschrieben hat, und Du damals auch mein Wohlsein erfuhrst, so habe ich ein Schreiben bis heute aufgeschoben, da ich jetzt an den Vater schreibe.
Bis jetzt bin ich, außer dass ich im Winter das Fieber hatte, recht schön gesund, doch der Bruder hat fast den ganzen Winter hindurch gekränkelt, öfter viel Geschwüre dann die russische Kufe(?) (ein Ausschlag der Krätze sehr ähnlich) welche vom fremden Klima herrührt. Übrigens ist das Klima hier sehr gesund, was schon aus dem starken Menschenschlag hervor geht, denn man findet fast alles starke gesunde Menschen. Wie steht es denn bei Euch mit der Jagd? Hier hat man wegen der Tiefe des Schnees nicht viel Jagdabenteuer erleben können, doch jetzt, da der Schnee auf Stellen bedeutend abgenommen hat, so stellt sich auch die Jagd wieder ein, überhaupt sind Enten im Überfluss, Hasen gibt es dagegen nur wenige. Im Frühling Sommer und Herbst ist hier gute Jagd auf Enten Stepphühner Trappen. Im Winter lassen sich auch öfter Wölfe sehen, so dass sie auch öfter des Nachts in die Dörfer dringen und sich ihren Raub holen, auf der Bergseite sind sie noch häufiger, sodass sie besonders in der Rudelzeit gefährlich werden. An der Molotichna habe ich 4 Hasen, mehrere Enten und anderes Geflügel geschossen, kurz vor unserer Abreise. Nach den neuesten Berichten waren an der Molotichna in diesem Winter ungemein viel Hasen, so dass mancher Schütze in einem Tage bis 15 Stück erlegt hat. Ein Kaufmann in Melitopol, einem Städtchen in der Nähe der Kolonien, hat 42.000 Felle angekauft. — Unsere übrigen Angelegenheiten wirst Du wohl vom Vater erfahren, da es heute hier Karfreitag ist und morgen die Post abgeht, so ist die Zeit zu kurz, um einen langen Brief zu schreiben, bitte aber Deinerseits mir recht bald mit einem Schreiben zu beehren.
Einen herzlichen Gruß von uns an Deine liebe Mutter[3] und Geschwister wie auch an die Jugendfreunde im Oberfelde[4] (sage Ihnen, dass ich über ihr langes Schweigen sehr unzufrieden bin) so wie von Bruder und Schwägerin und Deinem unvergesslichen Freunde Bernhard Epp
Bernhard Epp lässt Dich vielmals grüßen.
[1] Peter Braun wurde am 93.08.1829 zu Schönsee geboren Vater Peter Braun war ein Sohn des Ältesten Peter Braun – Heubuden. Nach dem Tode seiner Eltern hatte er zunächst die väterliche Wirtschaft in Schönsee übernommen. Später übergab ihm seine Stiefgroßmutter, die Witwe Maria Regier verw. Braun, geb. Warkentin, eine Enkelin des Ältesten Gerhard von Bargen – Gr. Lichtenau das großväterliche Grundstück in Heubuden, das er bis zu seinem im Jahre 1900 erfolgten Ableben bewirtschaftete. (Bernhard Epp ist gleichfalls im Jahre 1900 gestorben).
[2] Der einzige rechte Bruder Franz Epp, geb. 18.12.1829. <#342309. AW>
[3] Helena geb. Wiebe, am 1. 5. 1791 zu Herrenhagen als Tochter des Peter Wiebe und der Helena geb. Bergmann geboren. Um die Jahrhundertwende hatten ihre Eltern den Hof in Herrenhagen verkauft und waren nach Ladekopp gezogen.
[4] Ein Ortsteil von Schönsee, im Gegensatz zum Niederfeld. Da der Eppsche Hof im Oberfeld lag, hatte er auch dort seine Jugendfreunde.

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Hahns Aue, den 12. October 1886

Vielgeliebter Cousin!

Wünsche von Herzen, dass Dir und den Deinigen diese Zeilen bei guter Gesundheit und Wolhergehen antreffen möchten. Durch unsern 1. Ältesten H. Joh. Quiring[1] erhielt ich am 8. d. Mts. 100 Mark von Dir geschickt, welches von meinem Onkel H. Abraham Klaaßen[2] vermittelt wurde, zur Beisteuer zur Bezahlung der Operation meiner Tochter. Für diese aufopfernde Liebe sage Dir den besten Dank. Wenn ich oder meine Familie es Dir hienieden wohl niemals vergelten werden können, so bitten wir darum zu Gott, Er wolle es Dir vergelten, hier zeitlich und dort ewiglich. Es kam uns dieses Geschenk so unerwartet vor, und ist uns dasselbe doppelt werth, weil es ohne unser Bittgesuch geworden. Da sieht man, was die Liebe und Mitgefühl für die leidende Menschheit und auch den Nächsten vermag. Ich hätte gerne Dir die Bitte zur Mithilfe zukommen lassen, da unserer Correspondenz aber schon paar Jahrzehnt unterblieben, erkühnte ich mich nicht, Dir damit zu behelligen. Sollten vielleicht Verleumdungen Schuld sein, dass unser schriftlicher Verkehr unterblieben, oder hat Bruder Franz bei seiner Durchreise nach Amerika die Bilder von hier etwas schwärzer gemalt, als sie wirklich sind, (man hat so etwas davon gehört) oder sollte ich in Briefen dorthin, mich kränkender Ausdrücke bedient haben, ohne dass ich solche Absichten gehabt hätte, so verzeiht solches, denn Böswilligkeit liegt nicht vor, und lasst wieder von Euch schriftlich hören. Auch die andern Verwandten lassen sich nicht hören, so die Cousins. P. Wiebe[3] und Corn. Janzen[4]. Sollte dieses Anlass geben, zu fernerer Correspondenz, so würde es uns sehr freuen, und bitte sehr, auf diesen Brief zu antworten, und uns mit weiteren Briefen erfreuen zu wollen. Auch möchtest Du so gut sein und unsere Verwandten aufmuntern, schriftlich von sich hören zu lassen. Nun noch etwas aus unserer Familie und Wirtschaft. Erstlich kann ich Dir berichten, dass unsere Familie[5] gesund und wohlauf ist. Bernhard <Bernhard Epp (1856-ca. 1925), #342312. AW> der älteste Sohn, vor 3 Jahren verheiratet, hat sein eigenes Haus auf meinem Hofe 2 Wohnzimmer und eine Werkstube, arbeitet, Tischlerarbeit, Reinigungsmaschinen <Putzmachienen?AW>, Wagen, Schlitten, Glaserarbeit, weiß Blechgeschirr u. a. m. Hat 3 Arbeiter und Beschäftigung vollauf, hat sein gutes Auskommen. Franz <Franz Epp (09.03.1861 – 18.05.1921), #495869. AW.> hat Schmiederei und Maschinenarbeit erlernt, war nach der Lehrzeit 2 Jahre an der Molotschna in Schmieden und Fabriken, wo landwirtschaftliche Maschinen gefertigt wurden. Steht seit 1. März 83 in der Forstei im Dienst, ist dort Werkführer in der Schmiede und arbeitet Werkzeuge für mehrere Forsteien, kommt zu Neujahr los und gedenkt zum 3. Sohn Peter <Peter Epp (08.04.1863 – 19.09.1931), #1476254. AW.> zu reisen, um mit demselben zum Frühjahr zu Hause zu kommen.
[1] Seit 1884 Ältester der Gemeinde Köppenthal-Orloff. Er besaß das Hauslehrerdiplom für russische Sprache (M. P. Friesen: Geschichte der Alt-Evangelischen Mennoniten-Brüderschaft in Russland, S. 719)
[2] Am 19. März 1903 im Alter von 80 Jahren zu Tralau gestorben. Allgemein wurde er der „Herr Onkel“ genannt. Dieses wird wohl daher gekommen sein, weil seine langjährige, treue Haushälterin Natchen immer Herr Onkel sagte, wenn sie von ihm sprach.
[3] Peter Wiebe, Ladekopp.
[4] Cornelius Jantzen – Vierzehnhuben.
[5] Bernhard Epp hatte in Russland Elisabeth Horn <#342290. AW> geheiratet, die am 10.06.1832 zu Augustswalde, Kr. Marienburg als Tochter von Peter Horn geboren war.

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Peter hat an der Molotschna die Schlosserei erlernt, ging dann zur Eisen- und Metallgießerei in den dortigen Fabriken, nach der Lehrzeit ist er bereits 3 Jahre in Tiflis im Kaukasus in der dortigen Eisenbahnfabrik. Zum Frühjahr sollen die beiden über Baku und Astrachan nach Hause kommen. Wir gedenken, so Gott will, eine kleine Werkstelle zum Verfertigen von landwirtschaftlichen Maschinen und Ackerwerkzeuge zu errichten, an Absatz fehlt‘s nicht, nur wird der Anfang schwer sein, weil das Anlagekapital fehlt, doch Gott hat geholfen, Er wird auch weiter helfen. Haben doch an der Molotichna Viele im Kleinen angefangen und sich empor gearbeitet, und da die Umgegend solche Arbeit nöthig hat und fast keine Werkstellen sind und diese noch sehr entfernt, so habe ich die besten Hoffnung für gutes Gedeihen. Elise <Elisabeth Epp (07.06.1859 – 15.10.1907), #1184690. AW.> die älteste Tochter hat vor 3 Jahren einen J. Thießen[1] in Köppenthal (gebürtig aus Wikerau) geheiratet, haben dem gewesenen Ältesten David Hamm[2] <David Hamm (04.10.1822 – 02.03.1894), #4685. AW.> seine Wirtschaft in

Nach Sjurjukin gehörte dieses Haus in Köppental Johannes des Joh. Thießen. AW

Köppenthal abgekauft und haben ihr gutes Auskommen. Maria <Maria Epp (*19.01.1865), #495868. AW> verlor vor 8 Jahren im Alter von 13 Jahren durch Krankheit fast ihre ganze Nase, ist vor 5 Wochen in Saratow operiert, hat wieder eine vollständige Nase, und ist die Operation zur Zufriedenheit ausgefallen, gedenke sie diese Woche zu Hause zu holen. Dem Herrn sei Lob und Dank für seine Hülfe. Beim Arzt und Quartier Kosten 200 Rubel ohne circa 50 Rubel sonstige Kosten. Wilda <Wilda Epp (10.04.1867 – 09.02.1913), #495867. AW.> die jüngste Tochter ist auch noch zu Hause. Lebt noch etwas von der Wirtschaft. Haben dieses Jahr ein gute Mittelernte gehabt. Baue etwa über 1000 Pub Weizen, 600 Pd. Roggen, 170 Pd. Gerste und circa 400 Pd. Hafer. Habe diesen Herbst 10 Desentin mit Roggen besät und gedenke zum Früjahr 37 Desentin mit Sommergetreide zu besäen. Gott wolle seinen Segen dazu geben. Wir haben das Getreide noch nicht alle aus gedroschen, gedenke eine Dreschmaschine zu nehmen, und das übrige damit auszudreschen, indem die Witterung seit Juli sehr regnerisch ist, auch bereits Schnee gefallen, so ist das Ausdreschen mit Steinen nicht gut, weil das Getreide durch den langsamen Drusch, und die feuchte äußere Luft anzieht und feucht wird. Außer unserer Gesellschaft ist noch nicht die Hälfte ausgebrochen, wodurch große Noth entstehen wird, weil es an Brot und Getreidesaat mangeln wird. Die Getreidepreise sind flau. Weißen per Pud 70 – 80 Kop., Roggen bis 42 Kop., Gerste und Hafer 40-45. Mir sind im Laufe von 1½ Jahren 3 Pferde gefallen und habe noch 10 Arbeitspferde und 5 Stück 1 und 2-jährige. Vor 3 Jahren alles Rindvieh an der Pest, außer 1 Kuh, welche gesund blieb, habe jetzt wieder 8 Stück Rindvieh. Durch solche Unglücksfälle und Missernten kommt man garnicht vorwärts. Ich muss schließen, grüße doch gelegentlich unsere Verwandte und Bekannten, die Du triffst bitte, das Selbige mal schreiben möchten, so die Wiebs, Corn. Janzen usw. Nochmals meinen besten Dank für Dein Geschenk

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Gott vergelte es Dir. Grüße Deine liebe Familie. Schreibe doch bald.
Herzlich grüßend von Frau und Kinder Dein Vetter
Bernhard Epp.

(Fortseßung folgt)
[1] Johannes Thießen war am 29.12.1858 zu Gr. Wickerau, Kr. Elbing geboren. Er ist am 07.12.1940 zu Gr. Lichtenau bei seinem Sohne Gerhard gestorben. Seine Ehefrau Elisabeth geb. Epp starb bereits am 15.10.1907 zu Köppenthal. (Vgl. den unlängst in der Presse erschienenen Aufruf des Roten Kreuzes: „Wer kennt Johannes Thießen“).
[2] Ältester der Gemeinde Köppenthal-Ohrloff von 1858-1884.

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Aus dem Leben westpreußischer Mennoniten in den Ansiedlungen
„Am Trakt“ im Wolgagebiet

Briefe von Bernhard Epp, Hahnsau, aus den Jahren 1854–1892. Unter Mitwirkung von Bernhard Harder, Hamburg-Altona, B. H. Unruh, Karlsruhe, und Kurt Kauenhowen, Göttingen, mitgeteilt von Gustav Reimer, Heubuden
(Schluß)

Hahns Aue d. 19. Mai 1890

Geliebter Vetter!
Gottes reichster Segen sei Dir und den Deinigen zuvor gewünscht.
Von Frau Klaaßen[1] von Heubuden erhielt ich einen Gruß von Dir, danke bestens dafür. Ich habe mich mit Frau Klaaßen recht viel unterhalten, Sie war so freundlich, Dir diese Zeilen zu überbringen.
Kann berichten, dass ich und meine ganze Familie gesund und wohlauf sind, was ich Dir und den lieben Deinigen von Herzen auch wünsche. Unsere Ernteaussichten sind in Folge Regenmangels nicht aufs Beste. Roggen stand im Frühjahr ausgezeichnet, hat aber in Folge der Dürre sehr gelitten. Sommerfrucht,

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welche früh gesät, steht noch gut, Spätfrucht schwach aufgegangen, steht sehr mittelmäßig, käme bald genügend Regen, so könnte es noch so ziemlich Ertrag geben, aber gut schon immer nicht. Man hat hier durch die vielen Missernten, recht drückende Zeit. Doch ich habe die Hoffnung, dass Gott alles zum Besten lenken wird. Meine Kinder, welche jetzt zusammen sind, und wie ich Dir schon früher geschrieben, eine ziemliche Werkstelle errichtet haben, haben viel Arbeit, und geht, nach den jetzigen Verhältnissen sehr gut, haben in den zwei vergangenen Jahren pro Jahr über 2000 Rubel Arbeit verfertigt, hoffen, bei besseren kommenden Jahren bedeutend mehr zu leisten. Haben sich in den 9–10 Jahren in den Werkstätten und Fabriken manche schöne Fertigkeiten angeeignet. Der Herr wolle Ihnen auch fernerhin seinen Segen geben. Sie arbeiten mehrentheils in Landwirtschaftliche Maschinen und Pflügen (Berliner Ekkertsches System) auch verschiedenes Andere in Holz und Eisen. Der jüngste Sohn Peter hatte im Oktober v. J. Hochzeit mit Helene Neumann, so dass Bernhard und Peter zwei Schwestern zu Frauen haben. Franz Maria und Wilda sind noch unverheirathet. Franz war 4 Jahre im Forstdienst, hat dort in der Werkstelle als Werkführer gearbeitet, so das er nur das 1. Jahr im Forst arbeitete. Es ist uns so erfreulich und wohltuend, wenn man von Euch mal Nachricht erhält. Was machen die Verwandten Wiebs, Ladekopp u. Tiegenhof, Jantzens, Vierzehnhuben, habe von dort schon lange keine Nachricht erhalten. Bitte grüße alle von uns, wenn Du mit Ihnen zusammen kommst, es würde uns sehr erfreulich sein, wenn ihr uns mit einen Brief und Nachricht von eurem Wohlergehen erfreuen wolltet. Grüße auch meinen Onkel Rentier Ahr. Klaaßen daselbst. Gestern kam Bruder Johann Epp[2] von Samara auf Besuch bei uns an.
Herzlichen Gruß Dir und deinen lieben Kindern
Dein Dich liebender Vetter
Bernhard Epp.

Hahns Aue 0. 28/7. 91

Lieber Vetter!
Wünschen vorerst Dir und den Deinigen Gesundheit und Wohlergehen an Leib und Seele. Was uns betrifft, so sind alle, bei Kinder und Kindeskinder schön gesund. Was die wirtschaftliche Verhältnisse anbetrifft so steht es damit recht sehr traurig. Wir hatten bis Mitte Mai die schönste Hoffnung auf eine sehr gute Ernte, wie auch die Herren Wienß, Fröse und Reimer[3] es hier befunden haben, diese schöne Hoffnung aber wurde total vereitelt, durch die große Hitze, welche von Mitte Mai bis Mitte Juli, da die Ernte schon beendet war, anhielt, und zwar von 25-33°R. mehrentheils 28–31° und dazu noch die glühen: den Ost- und Südostwinde, wie aus einem heißen Backofen, so
[1] Unbekannt.
[2] Ein Halbbruder des Briefichreibers. Johannes Epp (*13.04.1844 – ????), GRANDMA #1451597, AW
[3] Wahrscheinlich Gäste aus Westpreußen.

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dass alles verbrannte, dazu blieb noch vollständig der Regen aus, etwas Strichregen und so wenig, als noch etwas kam, dass es noch eher zum Schaden war. Sonst haben wir Mitte Juli angefangen Sommerfrucht zu mähen, d. J. haben wir jetzt schon alles zu Hause und die Mehrsten alles aus, auch einige schon alles auf. Der Ertrag ist durchschnittlich nur die halbe Aussaat vom Sommergetreide, Korn etwas mehr, wohl doppelte Aussaat. Die Aussaat ist gewöhnlich pro Des. 5 Des. von aller Fruchtgattung. Ich habe folgendes gebaut: Winterkorn umgepflügt und 4 Des. mit Weißen besät, 5 Des. mit Hirse, letztere nichts geerntet, von 25 Des. Weizen 60 Pud, von 2 Des. Gerste 13 Pud, von 9 Des. Hafer 15 Pud. Das Korn rumgepflügt, also nichts geerntet, im Ganzen 28 Fuder Getreide, habe schon für 39 Rbl. Heu und Stroh gekauft und muss noch für 20 Rbl. kaufen, wenn ich nicht viel Vieh abschaffe. Will zwei Pferde verkaufen, so dass ich nur 8 behalte, welche zur Wirtschaft unumgänglich nötig sind, halte 5 Kühe, 1 Ochs und 2 Kälber, 2 Ochsen will ich schlachten, hätte nur einen geschlachtet, aber um weniger Futter zu gebrauchen muss man schon mehr schlachten als man wollte, hat zum Verkauf auch nur geringen Preis. Pferde preisen jetzt noch, welche im Frühjahr 40 bis 50 Rbl. kosteten, 10 RbI., welche 30 kosteten, jetzt nur noch 5-7 Rbl. was geringere waren, preisen um 2-3 Rbl. Zum Herbst, wenns eingestallt werden soll, kosten die Mehrsten nur so viel (2 Rubel) wie das Fellwerth ist. Denn zum Herbst wird viel Vieh aus Noth wegen Mangel an Futter, Brot und Saat abgeschafft, hauptsächlich bei Russen und Kolonisten, wo die Noth so groß ist, das mans nicht beschreiben kann. Du wirst nicht verstehen, wie das zusammenhängt, solch knappes Jahr und so viel Leute Futter kaufen, von wem? und von wo? Die Sache ist so. Manche ziehen nach Amerika, viele ziehen in andere Gouvernements, z. B. nach dem Kaukasus, Kuban, Ural und nach Sibirien, verkaufen alles, was sie haben, Heu hat ein jeder etwas geerntet auch etwas ausgesät. Viele schaffen das Vieh ab, um etwas Brot zu kaufen, die Hilfe von der Behörde wird knapper ausfallen, wie nötig ist, auch manchmal zu spät kommen. Daher ist das Futter jetzt auch verhältnismäßig nicht so teuer, wie es in früheren und besseren Jahren war. Die Umgegend ist ruiniert und erholt sich in vielen Jahren nicht mehr, wenn nicht eine Reihe von guten Jahren kommen, zu der Höhe, wie sie vor 20 Jahren war. Unsere Gesellschaft steht sich noch etwas besser, da wir mehr Land haben, auch noch etwas mehr gebaut haben, auch sind bis jetzt im Kreise noch zu 50% Anleihen gemeinschaftlich gemacht worden, wo es anderwärts nur zu 20-30% Anleihen gemacht worden sind, und die ganze ärmere Bevölkerung den Wucherern in die Hände gefallen sind. Wenn aber auch unsere Gesellschaft nicht ein Anleihe in diesem Jahr von 40,000 Rubel erhalten

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kann, so wirds auch mit uns sehr schlimm werden, und höchstens die Hälfte Vieh gehalten werden können, so auch die Hälfte Land besät werden wird. Sollte keine Anleihe erzielt werden, so steht der Ruin der Mehrsten von uns bevor. Man mag aber diesen schrecklichen Gedanken nicht aufkommen lassen. Wir haben schon in verschiedenen Banken (o auch in der Bodencreditbank) in Saratow nachgefragt, aber ganz abschlägige Antwort erhalten, die Bodencreditbank zahlt nur Geld auf erbeigen Land und nicht für früheres Kronsbauernland, wie wir früher waren. Wir erhielten das Land von der Krone als Geschenk. Seit 3 Jahren wird es mit Renten in 44 Jahren abgelöst, hingegen hat Hahns-Aue vor 3 Jahren auf einmal ausgekauft. Jetzt ist an unsere reiche Mitbrüder an der Malotschna geschrieben, um obige Summe zu erhalten, obs aber werden wird, weiß man nicht, man hofft. Dort befinden sich 1/4, 1/2 und ganze Millionäre, und werden doch wohl ein mitleidiges Herz haben, ihre nothleidende Mitbrüder zu helfen. Wir hatten 1887 eine sehr geringe Mittelernte, 88, 89 und 90 Misserndten, u. d. J. eine totale Misserndte. solches ruiniert auch reiche Leute ohngerechnet uns weniger Bemittelte und sind nur noch wenige, die sich helfen können aus ihren eigenen Mitteln, manche haben auch noch ausstehen, bekommen aber nichts ein, und verkaufen lassen, wo alles nichts gilt, kann noch keiner. Und so sind auch noch reich zu nennende Leute in der Noth. Meine Kinder haben bis jetzt, (da es im Frühjahr so schön schien) recht gut Arbeit gehabt, aber ist noch vom vorigen Jahr recht viel ausstehen geblieben, dieses Jahr bleibt viel ausstehen, und weiterhin bis künftigen Sommer wird noch weniger bezahlt werden können, sie haben bis jetzt, sie 3 und noch 4 Menschen, gearbeitet, einer ist bereits entlassen und einer hat bis Oktober ausgelernt und wird denn auch entlassen, so dass nur zwei Arbeiter bleiben sollen, müssen sich auch sehr berechnen, um zu Material übrig zu halten. Die Umgegend lässt nichts mehr arbeiten, außer einige große Pächter, alles Übrige sorgt nur für Brot. Das Roggenmehl kostet jetzt schon 1 Rubel 60 Cop., galt im Frühjahr unter 1 Rubel und steigt noch immer und wird auch noch bis zum künftigen Sommer steigen, so alles, Weizen und alles Getreide, wenn es erst in Händen der Kaufleute ist. Jetzt, da Du eine Einsicht unserer Lage hast, komme ich zu dem schwersten Teil meines Schreibens. Möchte es Dir wohl möglich sein, uns mit einer Unterstützung etwas aus unserer bedrängten Lage zu helfen, es fällt mir sehr schwer dieses Wort zu sagen, aber die Not zwingt mich dazu und habe Woche für Woche vergehen lassen, ehe ich mich entschließen konnte, es zu tun und da Du schon vor einigen Jahren Deine Liebe an uns durch tätige Beisteuer hast zu Teil werden lassen, entsage auch diesmal meine Bitte nicht, denn es ist große Not. Wir werden zwar nicht verhungern,

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aber das fernere Wirtschaften wird sehr in Frage gestellt, denn da mir ein Mann, der es aber selbst sehr nöthig hat, und auch beinahe seine Existenz daran abhängt 200 Rubel gekündigt hat, so ist meine Lage doppelt schwer, und entweder vor Gericht zu stehen, da ich selbst einer der ersten Gerichtspersonen bin, und meine Wirtschaftssachen durch Notverkauf entäußern müssen ist hart, man mag daran nicht denken, sonst schwindelts einem. Ich habe auch in beigehenden Brief, der auch an Deine Adresse ist, an Onkel Abraham Klaaßen, dessen Adresse ich nicht genau wusste, den Du so gut sein möchtest, an ihn zu befördern, gebeten, da er sich so liebreich früher gegen uns bewiesen hat, auch sich noch einmal unserer zu erbarmen und sollte es möglich sein, etwas von Euch beiden zu erhalten, so schickt‘s so schnell wie möglich, es kann ja zusammen. sein und Gott wirds Euch vielfältig lohnen, denn es ist Not und späterhin wird alles teurer. Ich hätte auch gerh an Vetter Corn. Janzen und Peter Wiebe, letzterer seine Adresse weiß ich nicht und kenne auch ihre Verhältnisse nicht, ob sie in der Lage find, etwas an uns zu tun. Solltest Du wissen, dass es ihre Lage erlaubt, meine Not mildern zu können, ohne dass es Ihnen schwer fällt, so benachrichtige mich doch davon oder tue es Ihnen in meinem Namen kund, vielleicht können und wollen sie auch meine Not etwas mildern helfen. Von Dir und Onkel Klaaßen weiß ich, dass Ihr an irdischem Gut gesegnet seid und Euch eine Mithilfe nicht Schaden bringt. Sollte es aber nicht möglich sein, so sei doch so gut und schreibe so bald wie möglich, denn man weiß doch, woran man ist und muss sehen, wie auf eine andere Art durchzukommen ist. Wie oder wo, weiß ich nicht, aber dies Unbestimmte ist so drückend. 60 Jahre bin ich seit vorigen Monat, aber nie ist die Not so nahe an uns herangetreten wie jetzt, habe aber noch nie eine solche schlechte Ernte gehabt, wie dieses Jahr, und hätte es von allen die doppelte Saat gegeben, so wäre durchzusehen und wir wären nicht so übel dran, wir sind schon sehr genügsam, aber wenn es nur die halbe Saat gibt, ist doch zu wenig. Noch einmal, wenns möglich ist, helft, Gott wird es Euch nicht ungelohnt lassen.
Ich muss schließen, und bitte Dich noch, verzeihe meine Zudringlichkeit. Ich hoffe auf baldige und so Gott will beruhigende Antwort.
Du und die Deinigen seid herzlich von uns allen gegrüßt
Dein Vetter Bernhard Epp. Meine Adresse: Rußland, Saratow, Pokrowsk, Kolonie
Hahns Aue, An Bernhard Epp.
Lieb wäre es mir, wenn Onkel Klaaßen auch diesen Brief lesen möchte.

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Hahns Aue, den 10. Sept. 1891
Herrn Peter Braun, Heubuden

Lieber Vetter!
Wünsche von Herzen Dir und den Deinigen Gesundheit und das beste Wohlergehen.
Durch das Bankhaus der Herren Ruhm und Schneidemühl, Neuteich erhielt ich am 28. August d. J. laut Deinem Auftrage und auf Deine Rechnung Zweihundert Rubel (200 Rubel). Sage Dir und wenn Andere dabei beteiligt sind an dieser großen Gabe und Mithilfe so auch denselben meinen besten Dank. Wenn ich Euch diese Liebe hienieden niemals abzahlen kann, so wird es der gütige Gott Euch vielfach belohnen, an Leib und Seele. Ich hätte schon vor 8 Tagen geschrieben, wartete aber immer auf einige Zeilen von Dir, damit ich doch erfahren könnte, wer die Wohltäter seien, aber vergebenst, so bitte ich Dich inständigst, benachrichtige mich doch bald, wer zu dieser Gabe beigetragen hat, damit ich jedem meinen Dank schriftlich senden kann. Oder wollt ihr Euch meinem Dank entziehen? Oh tue das nicht, es würde mich schmerzlich berühren. Mein Herz möchte sich in Worte des Dankes ausdrücken und so sehe ich Deine Zeilen in nächster Zeit entgegen. Meine Ahnung ist, Du und Onkel Claaßen haben das Geld geschickt. Vielleicht schreibt Onkel auch, wenn es ihm wegen seines Alters nicht beschwerlich ist. Hätte gern einige Zeilen von ihm, bitte grüße ihn doch bestens von uns. Was Deine Geldsendung für einen besonderen Wert hat, will ich Dir in Kürze mitteilen. Dass ich mit dem erhaltenen Gelde die gekündete Summe entrichtet habe, hat doppelten Wert für mich und meine Stellung, erstlich die Schuld los, und damit aus einer recht unerquicklichen Lage zu kommen. Und dieses zu erklären, muss ich etwas weit ausholen. Vor 20 Jahren wurden in Russland neue Reformen im Gerichtswesen eingeführt. Freiere Selbstverwaltung. Früher standen wir und alle deutschen Ansiedler unter dem deutschen Comptoir für ausländische Ansiedler in Saratow. Dann ging diese Vormundsbehörde oder Vermittelungsstelle zwischen deutsche und russische Behörde ein und eine gleiche Gerichtsbehörde im europäischen Russland wurde eingeführt. Gewisse Dörfer (unsere 10) gehörten zu einem Kreisamt, jetzt Wollost genannt. Zu Civil und geringere Kriminalklagen zu schlichten wurden zum Woloftgericht aus unserer Mitte 6 Richter gewählt, wovon 3 zu Gericht saßen und mit den andern 3 abwechselten, sodass jeder 3 Monate nacheinander die Richterstelle bekleidete, jeden Monat einer austrat und ein anderer eintrat. Vor 18 Jahren wurde ich auch als Richter erwählt (alle Jahre frische Wahl) bekleidete das Amt 10 Jahre. Dann wurde die Stelle als Obervorsteher und dessen Gehilfe

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vakant, und so wurde I. Bergmann Obervorsteher und ich als dessen Stellvertreter gewählt (jetzt zu Neujahr 8 Jahre). In diesen fahre wurde auch in unserem Gouvernement neue Gerichtsreformen eingeführt und die Woloftgerichte bekommen höhere Kompetenz, so z. B. bis jetzt konnte das Wolostgericht nur in Sachen entscheiden, wo die Strafen nur bis zu 3 Rubel in Geld, 7 Tage Arrest und zu körperlicher Strafe zu 20 Ruthenhiebe aufgelegt werden konnten. Jetzt kann das Gericht in Sachen entscheiden (früher höheren Behörden untergeordnet) bis zu 30 Rubel Strafen, 30 Tagen leichten oder 15 Tage schweren Arrest und 20 Ruthenhiebe. Das Gericht aus 8 Personen, dieselben werden von den Dörfern gewählt (zu 10 Personen) von diesen bestimmt die höhere Behörde einen zum Präsidenten und dessen Stellvertreter u. noch drei Richter u. Desfen (deren) Stellvertreter.
Im Falle der Abwesenheit des Präsidenten und Richter müssen die Stellvertreter der ersteren Stelle einnehmen. Diese Personen find auf 3 Jahre gewählt und bestätigt und vereidigt. Ich bin zum Präsidenten des Gerichtes von den 10 Dörfern erwählt und von höheren Beamten bestätigt und alle von unserem Ältesten H. J. Quiring in der Kirche vereidigt in Gegenwart des Beamten. Zum ersten September traten wir unser Amt an. Das Gehalt ist von der höheren Behörde bestimmt für die 4 Monate bis Neujahr für den Präsidenten 25 Rubel, für die Richter auf die nämliche Zeit je 20 Rubel. Nach Neujahr wird für jedes Jahr das Gehalt festgestellt. Der allgütige Gott wolle uns Weisheit zu unserem recht schweren Amte schenken. Wir haben immer recht sehr trocken Witterung, so dass die Roggenaussaat im allgemeinen aufgeschoben wurde, so dass Ende August und erste Woche vom September die Saat bestellt wurde. Es war etwas Regen, geht aber nur schwer auf. Ich habe 11 Des. mit Roggen in der Brache gesät. Pflüge jetzt noch 6 Des. Kornstoppeln rum, wird sehr stückerich, doch zum Frühjahr wird es schon weich sein und die Feuchtigkeit zieht den Winter besser ein. Wir haben 2 Deputierte nach der Molotschna geschickt zu unseren Glaubenbrüdern, um eine Anleihe von 45000 Rubel zu bewerkstelligen, Nachricht, dass bereits die Hälfte erhalten, hoffentlich wird auch die andere Hälfte zu bekommen sein. Geschieht Letzteres, so wird zum Frühjahr noch mals alles Ackerland besäet werden. Nochmals bitte ich um baldige Antwort. Was machen meine anderen Verwandten? Mein und der Meinen herzlichen Dank für alle Liebe die wir von Euch empfangen haben, Gott wolle es Eich lohnen hier zeitlich und dort ewiglich.
Unsere herzlichen Grüße von meiner Familie insonderheit von
Deinem liebenden Vetter
Bernhard Epp.

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Hahns Aue, d. 2. Februar 1892

Lieber Vetter!
Deinen I. Brief vom 2. Januar habe ich richtig erhalten und danke dafür. Dass ich im vorigen Brief anfrug, wer die 200 R. geschickt habe, bitte zu entschuldigen, ich konnte kaum erwarten, von Dir allein ein solches großes Geschenk zu erhalten. Wenn auch durch Herrn Ruhm auf Dein Wunsch die Summe hergeschickt wurde, so konnten doch mehrere dazu beigetragen haben. Da ich jetzt genau weiß, wie‘s steht, so sage ich Dir nochmals meinen wärmsten Dank und kann nur bitten, Gott wolle es Dir und den Deinigen vergelten, hier zeitlich und dort ewiglich. Wie Du schreibst, warst Du bei Onkel Claaßen, den Vetters C. Janßen und Wiebe, sowie auch bei Cousine Renathe Driedger[1], haben von Selbigen sonst keine Nachricht erhalten, als durch Deinen letzten Brief, möchte so gerne erfahren, wie‘s ihnen geht. Bitte alle sehr zu grüßen und würde uns sehr lieb, von Allen Briefe zu bekommen. Onkel Claaßen, welcher wie Du schreibst, recht leidend ist, wünschen von Herzen Besserung, und, wenn es des Herrn Willen ist, ihn abzuberufen, die ewige Seligkeit. Was ist alle Herrlichkeit dieser Welt gegen die ewige Glückseligkeit dort oben, wo kein Trauern, kein Leid und Schmerz sein wird. Hätten wir nicht die frohe Hoffnung und Zuversicht auf ein besseres Jenseits, man müsste verzagen. Ich bin auch vielen Dank schuldig an Onkel Claaßen, für so manche Wohltaten, welche ich früher von ihm erhalten habe. Gott wolle es ihm vergelten. Dass die Vetters garnicht schreiben, ist mir sehr schmerzlich und da Vetter Janzen, der hier war, garnichts von sich hören lässt, ist mir unbegreiflich. Doch ich gebe die Hoffnung nicht auf auf ferneren Briefwechsel, bitte sehr darum. Du schreibst, dass Deine jüngste. Tochter so leidend ist, sollte da die Koehsche Methode nicht Hilfe bringen können? Doch Ihr werdet schon alle menschliche Hilfe versucht haben, auch den rechten Arzt angesprochen haben, seine Wege sind wohl wunderlich, aber er führt dennoch alles herrlich hinaus. Darum „Ihn, Ihn lasst tun und walten“ usw. Und so hat ein Jeder sein Kreuz hier auf Erden zu tragen. Nur nicht verzagt, größer als der Helfer, ist die Not ja nicht. Gott gebe Deinem Kinde die herrliche Gesundheit. Du frägst nach Franz Sukau[2]. Derselbe hat in Köppenthal eine ganz schöne Wirtschaft, doch durch die schlechten Jahre hat er auch Anleihen machen müssen. Die älteste Tochter ist an unsern 1. Ältesten J. Quiring[3] verheiratet, die 2te ist an Dietrich Hamm[4], Sohn des verstorbenen Jacob Hamm verheiratet, wohnen bei Aulieata in Turkestanschen Gebiet (Asien), die 3te Renatha[5] ist noch zu Hause. Übrigens gesund und wohlauf. Er leidet etwas an Athembeschwerden (Lässt sehr grüßen). Corn. Wall[6] verkaufte Anno 80 seine schöne Wirtschaft
[1] Eine geb. Wiebe aus Ladekopp. Zweite Ehefrau des Johann Driedger, Czattkau.
[2] Wohnte früher ebenfalls in Schönsee und war 1862 nach Russland ausgewandert. Franz Suckau (22.02.1830 – 07.03.1896), GRANDMA #426050, AW
[3] Johann Quiring (12.09.1851 – 21.04.1912), GRANDMA #342363, verheiratet mit Maria Suckau (12.09.1851 – 25.12.1918), GRANDMA #1156979. AW.
[4] Jacob Hamm hatte in Petershagen gewohnt und war 1855 nach Samara ausgewandert. Dietrich Hamm (*28.12.1850 – ????), #117400. AW
[5] Renata Suckau, weiteres unbekannt. Renata Suckau (*ca. 1864) Ist in der Liste der Bewohner von Köppental 1921-22 unter Nr. 27 als Alleinstehend 57 Jahre alt eingetragen. AW.
[6] Wahrscheinlich ein Sohn von Johann Wall aus Schönsee. Dieser war schon in Preußen Prediger und wurde auf der Reise von der Ansiedlungsgemeinde zum Ältesten gewählt und 1853 in der Kirche zu Ohrloff <Molotschna. AW> von dem Ältesten Bernhard Fast ordiniert. Cornelius war der älteste Cohn, bei der Auswanderung 1852 war er 23 Jahre alt. Die Ehefrau von Johann Wall, Margaretha geb. Regier war am 19.8.1852 in Lublin auf der Reise gestorben. (M. P. Friesen a. a. D., S. 719 und 129.) (Vgl. Menn. Lexikon Bd. I, S. 596.) Cornelius Wall (09.03.1829 – 1907), GRANDMA #694221. Sein Vater Johann Wall (14.02.1793 – 10.12.1860), GRANDMA #342261, Mutter Margaretha, geb. Regier (09.04.1799 – 19.08.1852), GRANDMA  #397143. AW

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nebst Mühle und zog mit Claaß Epp[1] und Anhänger nach Asien, ist auch bei Aulie-Ata, hat dort eine nette Wirtschaft und eine gute Wassermühle erbaut, dieselbe hat ihm gute Einnahmen gebracht und steht sich wohl ganz gut. Haben jetzt auch schon wieder Gewissensskrupel wegen Forstdienstpflicht, gegen die Regierung, können garnicht recht das Land und die Regierung finden, wo sie nach ihrem Geschmack leben können. Die dorthin übergesiedelte sind so stark von dem Claaß Eppichen Geist durchdrungen, dass die Mehrsten die unsinnigste Anforderung machen und bald kein Winkel der Erde zu finden ist, wo sie ihres Glaubens leben können. Wenn man nicht alles durchgelebt hätte, man würde es nicht glauben, was ein Mensch (C. Epp) zu Wege bringen kann. Ein bedeutender Mann aus Deutschland sagt (C. E.) leide an religiösen Größenwahn, damit ist alles gesagt. Ein ganzes Buch wäre darüber zu schreiben und die Weltgeschichte führt uns viele solche Irrlehren vor Augen und haben auch üble Folgen davon gehabt. über die T. Eppiche Bewegung, Verwirrungen und Folgen gäbe es auch Stoff genug zu einem Buche und die Sache ist noch lange nicht zu Ende. C. Epp und circa 30 Familien leben in Chiwa unterm dortigen Chan, gehen aber öfter ab nach Aulie-Ata und Amerika. Im Herbst kam der einzige Sohn des C. Epp nebst Frau und noch 2 Familien hierher, und von hier im Winter nach Amerika. Sie sagten, dass sich die Gesellschaft dort in Chiwa nicht lange mehr halten kann. Man muss die Leute bedauern. Über die Not in Russland, und unser Gouvernement hat nicht die wenigste, habt Ihr wohl auch schon aus den Zeitungen gelesen. Sie ist fürchterlich. Zwar hat unsere Gesellschaft nicht so stark zu leiden. Wir sind durch Gottes Führung und guter Menschen Mithilfe so weit geholfen, dass wir Mennoniten (10 Dörfer) nochmals bis zur nächsten Ernte durchkommen werden, es wird noch keiner brauchen zu hungern und wird gesorgt für Samen, Futter und Brot. Abgaben u. andere Ausgaben usw. Es sind 4000 Pud Kartoffeln gekauft a 36 Kop. Hafer 7300 Pud a 86 Cop. zur Saat und Futter, zu letzterem wenig, Korn a Pud 1 Rubel 23 Kop. Weizen zur Saat a Pd. 1 Rubel 47 Kop. und türkischer zu 1 Rubel 57 Kop. a Pud ziemlich viel. Wir hatten von der Malotschna und im südlichen Russland von verschiedenen Personen, unseren Glaubensbrüdern, 50 000 Rubel Anleihe gemacht. Hiervon von Frau Witwe Dyck 10,000 Rubel auf ein Jahr ohne Prozente und noch 4000 Rubel aus unserer Gesellschaft, sodass wir schon bis zur Ernte auskommen werden. Aber das schwerste kommt noch nach, die Abzahlung, doch wenn uns der liebe Gott segnet, so wird‘s gehen. Es muss sehr viel Futter gekauft werden. Ich habe für 100 Rubel Heu, Stroh und Spreu gekauft, 80 Pud Hafer a 86 Kop. zu Saat und etwas zum aufmengen in der Saatzeit, 90 Pud Roggen a 1 Rubel 20 Kop. zu Saat und Brot. Weizen
[1] (Vgl. Menn. Lexikon Bd. I, S.596.) Claas Epp (Jr.) (09.09.1838 – 19.01.1913), GRANDMA #4738 AW.

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60 Pud zu Saat a 1 Rubel 55 Kop. pro Pud. Dann noch alles Mehl, ein volles Jahr zu leben. Einnahmen dagegen für 100 Rubel für Kartoffeln und 90 Rubel Gehalt für meine Ämter. So dass ich noch 320.Rbl. Anleihe machen musste. Du wirst es nicht begreifen, wo das Futter zu bekommen ist, da die Umgebung noch viel ärmer ist als wir und doch geht es ganz natürlich zu. Bei Kolonisten und Russen wird aus Not große Strecken Land vom Gemeindebesitz an Spekulanten auf mehrere Jahre verpachtet und zwar Steppe oder mehrjähriges Weideland (Stengelland genannt). Diese Spekulanten lassen solches Land tief 10—12 Zoll aufreißen, zum Frühjahr wird solches Land mit Weißen besät und bis 10—12 mal doppelt eingeggt. Solcher Weißen hat im vergangenen Jahr 30-35 Pd. gegeben. Da solche Bearbeitung mit angenommenem Viehe bewirtschaftet wurde, die Spekulanten für ihr weniges Vieh wenig Futter brauchten, konnten wir auch noch genügend auch nicht zu teuer, Futter kaufen. Zweitens. Da hier in Russland jede männliche Seele Land hat, im Frühjahr noch recht viel ausgesät wurde, da es aber wenig Körner gab, verkauften viele ihr Futter, da das Vieh abgeschlachtet werden musste um Brod zu kaufen, gingen entweder nach andere Gegenden, um etwas zu verdienen, auch nach Amerika sind viele ausgewandert, so dass das Futter für nicht zu hohe Preise zu bekommen war. Im Herbst galt ein 2 spänniges Fuder schönes heu 8 Rubel, Stroh und Spreu 3 Rubel aber bis 20 Werst (1 Werst gleich ein Kilometer) zu holen. Jetzt ist es noch einmal so teuer. Die Umgegend ist total ruiniert, und wenn‘s nicht bald bessere Jahre kommen, sind wir auch verloren. Uns rettet noch die bessere Verwaltung, mehr Land und bei Anleihen die 5%, hingegen in der Umgegend, die große Dörfer, weite Land, und öftere Verteilung des Ackerlandes, hohe Prozente von 25 bis 40%. Und dann ist nicht Geld mehr zu bekommen. Die Wucherer saugen die armen Leute völlig aus. Pferde und Rindvieh und Ackerwerkzeuge werden für den vierten Teil des Einkaufpreises verkauft.
Die Kolonie Wahrenburg, 25 Werft von uns, an der Wolga hat 7000 Einwohner, hat Volksküchen eingerichtet und werden täglich über 1000 Menschen Kost gegeben, eine Mahlzeit, die Gelder dazu sind Spenden vom In- und Auslande, die Pastoren und andere Personen leiten das Ganze. 4000 Pferde sind jetzt weniger, als im Frühjahr. Und so geht es rund herum. In 17 Gouvernements ist Not. Die Regierung hat 100 Million gegeben, die Not zu stillen und viele Millionen kommen zusammen durch Liebsgaben ans rote Kreuz und an die Pastoren. Letzteres ist das Beste. Der Hunger wird wohl bis zur Ernte gestillt werden, aber es kann zu wenig ausgesät werden, wenn‘s auch wieder bessere Ernten gibt, so wird‘s lange dauern, bis die Leute auf dem Fuß sind, wie sie früher waren. Und dann die vielen Schulden

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wie sollen die bezahlt werden. Auch bei uns, wir kommen d. J. durch, säen auch ziemlich voll aus, und wenn einige gute Jahre kommen und Preise sind, kann vieles getan werden, aber manche von uns werden wohl zu Grunde gehen. Und das Üble ist, die Wirtschaften sind nicht zu verkaufen, und mit nichts fort gehen, geht auch nicht. Doch die Hoffnung auf Gottes Hilfe muss uns noch erhalten, die natürliche Aussichten sind sehr trübe. Der gütige Gott wolle sich unser Aller erbarmen. Wir haben d. J. bis jetzt einen sehr mäßigen Winter gehabt. Bis zum 10. Januar bis 10 Grad, außer Ende November 2 Tage 26 Grad Reaumur <°C=°Re x 1,25. Wahrscheinlich minus Grad gemeint, (dann °C=°Re x 0,8. AW>, vom 10. bis 18. Jan. aber von 25—35 Grad, dann wieder bis jetzt 10 Grad, Schnee sehr viel, von Ende Oktober an fast jede Woche Schneefall, auf dem Felde circa 2 Fuß, auf den Dorfstraßen bis 4 Fuß und auf manchen Hofplätzen Dünen bis zu 7 Fuß hoch. Habe 8 Arbeitspferde, 5 Milchkühe, 1 Ochs, 2 Hodelinger, 2 Kälber u. 2 Schweine. Meine Kinder arbeiten zu 5en in der Werkstube, haben viel Arbeit, aber vieles auf Borg bis zur Ernte und das ist für unsere Verhältnisse sehr schwer. Dass sie in Fabriken verschiedenes gut gelernt haben, gibt‘s viel Arbeit. Doch ich muss schließen, es wird dich schon ermüdet haben mein vieles Gekritzel. Solltest Du Gelegenheit haben, können meine lieben Verwandten diesen Brief gerne lesen. Bitte sie in meinem Namen, dass sie doch auch mal schreiben möchten, es würde sehr freuen. Nun zum Schluss wünschen Euch allen Gottes reichsten Segen an Leib und Seele. Grüße Onkel Claaßen, bei Wiebs, Jantzen, Driedgers und alle, die nach uns fragen und sich in Liebe unserer erinnern. Besten Gruß Dir und die Deinigen. Verbleibe Dein dankbarer Vetter Bernhard Epp. Frau und Kinder lassen sehr grüßen.

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Schrifttum:

  1. M. Klaassen: Geschichte der wehrlosen taufgesinnten Gemeinden von den Zeiten der Apostel bis auf die Gegenwart. Danzig 1873, S. 281/82.
  2. (Nathanael Bonwetsch): Die Deutschen Wolgacolonien. Göttingen 1892, S. 10.
  3. Gerhard Bonwetsch: Geschichte der deutschen Kolonien an der Wolga. (Schriften des Deutschen Auslands-Instituts 2), Stuttgart 1919, 6. 94, 110.
  4. W. E. Sjurjukin: Mennonity Keppentalskogo Rajona Oblasti Nemzew Powolshja w bytowom i chosjajstwennom otnoschenii. Pokrowsk 1923 (= Die Mennoniten des Köppentalfchen Rayons der Wolgarepublik in landwirtschaftlicher und volkskundlicher Hinsicht) 212 S., Grundriss, 16 Abb. auf Tafeln, 21 Diagramme und zahlr. Tabellen. (Vorhanden in der Bücherei des Deutschen Ausland-Instituts, Stuttgart.)
  5. Beiträge zur Heimatkunde des deutschen Wolgagebiets. Mit einer Karte und einer Tabelle. Pokrowsk (Kosakenstadt) 1923, S. 15, 69.
  6. Lothar König: Die Deutschtumsinsel an der Wolga. Ein Beitrag zur länderkundlichen Darstellung der deutschen Wolgakolonien und der natürlichen Grundlagen ihrer Wirtschaft. (Deutschtum und Ausland 64/65 Heft) Dülmen 1938.
  7. Neff und Hege: Mennonitisches Lexikon, II. Band, Frankfurt am M. 1937, Artikel Hahn, Hahnsau, Köppental u. a.
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