Diese Briefe hat Marie Quiring geb. Jak. Hamm (1849-1885), #138304 (die 1., 2. und 4.) und ihr Mann Johann Quiring (1851-1912), #342363 (den 3.) aus Köppental, Am Trakt an ihre Eltern und Geschwister in Turkestan geschrieben. Die Briefe hat Elena Klassen von handschriftlichen Originalen abgeschrieben. Willi Frese und Willi Risto haben Korrekturen und Ergänzungen vorgenommen und Fußnoten hinzugefügt. AW
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[1]Sonnabend den 27. November. <1882?, denn diesen Brief hat ihr Vater Jakob Hamm am 09.01.1883 abgeschrieben und an seine Kinder nach Taschkent geschickt. AW>
Meine geliebten Eltern und Geschwister!
Verlass dich auf den Herrn vom ganzen Herzen, er wird dich versorgen.
Diesen Spruch sage ich mir oft vor, wenn es in irgrund einer
Art schwer werden will, denn ich glaube der Herr meint nicht
bloß das äußerliche Versorgen, sondern wer sich vom ganzen
Herzen auf ihn verlässt, den wird er in allen Verhältnissen
des Lebens versorgen und trösten und so wir nach seinem Willen
Beten, auch unsere Gebete erhören. Wie ich schreiben wollte
und ich an ihnen und an uns dachte, fiel mir wieder der Spruch
ein; seit nur getrost, verlass dich nur auf den Herrn vom
ganzen Herzen, er wird alles wohl machen. Nun meine
lieben mein ernster Wunsch und Gedanke ist, wenn sie doch
alle gesund sein möchtet, besonders sie lieber Papa wieder
von ihrer Rose geheilt sein möchten, wir andere sind gesund
nur die kleine Ließer[2] ist seit Donnerstagabend krank, sie liegt
sehr still mag nicht viel gestört sein, und isst zu sagen nichts.
Ich hoffe es wird nur auf Zähnchen sein. Sollte aber der liebe
Herr es beschlossen haben sie zu sich nehmen, dann geschehe sein
Wille, ich will ihm ruhig stille halten, denn wenn ich jetzt das
Leben anschaue, kommt es mir so ernst und schwer vor, dass
ich meine Kinder wohl alle beim lieben Heiland wissen möchten.
Es sterben hier recht viel Kinder. Vorige Woche wurden
wieder 2 nette Kinder begraben, bei Joh. Bergmans der
kleine Hans, eigentlich klein kann man nicht sagen, denn
er war nach seinem Alter sehr groß und dick und Jacob Fransen in
Hahnsau die älteste Tochter von 4 Jahren. In Hahnsau ist
die Pest unter dem Rindvieh ausgebrochen, was sie wohl schon
aus anderen Briefen werden erfahren haben. Bei Müllers
war der Anfang, da sind in [um] die 50 Stück gefallen. Bei Brots
24, bei der Schmied 2, beim Lehrer eine Tod und eine scheint
durch zu kommen, bei Wiebs haben sie gestern 5 herausgeschleppt,
wer weiß wie weit es noch gehen wird. Es ist heute
Tante Penner ihr Geburtstag, wir hatten uns noch vorgenommen
hin zu fahren, aber wegen Lieschen blieben wir zu Hause,
es ist heute bei uns wie ein Markttag, von des morgens an
ist beinahe immer wer gewesen, so aber sehe ich den
Seitlich (S. 035 (links)) –
Koppers wohnen seit Montag den 3. hier in eure Stelle, und heute den 11ten ziehen Funken als Lehrer in Koppers Wohnung ein.
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Lysanderhöher Lehrer und Joh. Bergmann kommen, es ist 4 Uhr, dann werde
ich nur aufhören mit Schreiben und gehen Kaffeekochen.
Sonntag Nachmittag es ist mir heute recht einsam, Lieschen ist heute
wieder kranker wie gestern, ihr Leibchen geht sehr hoch und tief
beim Atmen, Johannes[3] musste nach Orloff predigen, so sitze ich
denn alleine in der Großen Stube und schreibe und Ließer ihr Bettchen
neben mir. Ach meine liebe, liebe Mama[4] konnte sie doch ein
bisschen herkommen, aber nein, es ist gewiss so besser, sonst
wäre es noch wie früher. Vormittag musste ich ein bisschen nach
Dycks kommen, der Liesbeth ihre kleine habe die Krämpfe. Als
ich hinkam, sah ich schon wo es hinging ½ 12 Uhr war sie eine Leiche.
Ich ging gleich nach Hause, Netchen[5] kam mir aber bald nach und bat
um ein Hemdchen. Nachmittag fuhren sie mit dem Kinde nach
Jost zu seinen Eltern. Mariechen[6] ist noch im Bett, aber sonst sehr
munter. Nun meine Lieben, es geht wieder der lieben
Weihnachtszeit entgegen, ich sollte auch wohl recht zu Weihnachten arbeiten,
aber es fehlt mir noch immer an die rechte Lust, was
mich früher freudig stimmte, will mich jetzt noch immer
traurig machen. Wäre ich nur bei ihnen, dann wollte ich
schon wieder aufleben, die Zeit glaube ich, ist gar nicht mehr sehr
ferne, denn mir ist es so gewiss innerlich, dass wir bald
wieder werden zusammen sein. Aber dass, meine Lieben,
muss ich gestehen hier her wünsche ich euch allen eigentlich
gar nicht, ich sehne mich nur immer weg von hier, denn hier
existieren viele traurige Verhältnisse, die wohl schwerlich
jemals zu ändern sein werden, doch dies sage ich nur zu euch
meine lieben. Doch der liebe teure Heiland weiß ja alles, er
führt alles nur zu unserem Besten aus. Ich nähe für Johannes
Schuhe zu Weihnachten, für Mieche will ich eine Mixlister
aus Schürze machen und mit Seideschnur bunt besetzen. Für die
Schwiegermutter[7] lasse ich ein paar gestrickte Schuhe machen,
wie Tante Lieschen sie strickt, das Stricken ist sehr leicht, wenn
die Wolle etwas grob ist, werden 150 Maschen aufgeschlagen,
wie eine Strümpfe, dann werden vorne von der
Zehe a. 50 Maschen abgenommen bei jedesmal rundstricken
eine, dann wird 2 kraus und 2 glatt gestrickt, die sind aber noch
recht stark, dann brauchst blos eine Sohle untergenäht werden
und die Schuhe sind fertig, sie sollten sehr leicht auf den Füßen
sein, wer sie recht warm haben will, reith sich hier noch Bag
hinein, es haben hier schon mehrere solche Sommer auch Winter.
Eure Briefe, liebe Geschwister Kopper und deine, lieber Bruder
Jacob[8] mit den Zeichnungen von euren Gebäuden, haben wir
vorige Woche erhalten, vielen, vielen Dank dafür, aber
Seitlich (S. 035 (rechts)) –
Joh[9]. und Peter[10] Kopper fahren morgen den 12. so Gott will nach Aulieata, und werden die Briefe mitnehmen.
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dass du liebes Justchen[11] meinst ich hatte dir nicht gleich wieder innig
geliebt, tut mir sehr leid, denn daran warst du gar nicht schuld, sondern
meine Selbstsucht, dass du auch an deine liebe Freundinnen schreiben
musst, ist ja selbstverständlich, ich freue mich schon zum Winter,
dann werdet auch ihr Geschwister mehr Zeit zum Schreiben haben,
nicht wahr? Ach, mein lieber Papa, meine Gedanken sind so viel
bei Ihnen, wenn sie doch nur erst wieder gesund sein möchten. Nun
meine lieben Eltern will ich ihnen noch etwas erzählen, es sind
hier schon Liebhaber zu ihrer Feuerstelle 1500 würden wir gleich
bekommen, auch etwas mehr, aber Johannes hat gar nicht recht
Lust sie zu verkaufen, ich war aber wieder gar nicht für kaufen,
denn mein Sinn ist einmal nicht hier zu bleiben. Nur
meint Johannes, wenn wir auch die Stelle hielten und wir
würden sehen, dass sie dort Zuschuss kommen, und wir da
auch fortkommen könnten, ginge dies hier immer wieder
zu verkaufen, aber so lange wie wir doch noch hierbleiben, konnten
wir sie doch halten. Ach ja, meine lieben Eltern, wenn
ich nun denke, dass ich dann doch noch einige Jahre hierbleiben
muss, dann könnten sie sich wohl denken, dass ich es dann lieber
selbst habe, als wenn Fremde in den lieben Garten an zu wirken
fangen. Das Wohnhaus will ich dann von der Vordertüre, bis
zur Hintertüre, kleiner machen, und dann will er es auch recht
nach meinem Geschmack einrichten lassen, so meine Geliebten
stehen die Sachen, aber Johannes sagt immer recht erst sie sollen
ihre Meinung darüber sagen, auch ihr meine lieben Geschwister
was meint ihr dazu? Bitte schreibt nur alle recht bald, sind
auch die Kartoffeln schon angekommen? und ohne Beschädigung?
Sie liebe Mama und Justchen schreiben sie doch was alles angekommen
ist, im vorrigen Kasten[12]. Haben sie liebe Mama das Dosche[13]
mit den neuen Dosen erhalten? Und die 70 Traktate und Bilder?
Und 4 Sorten Wolle? Ich habe es eigentlich schon selbst vergessen
was ich alles hineingelegt hatte. Wie gerne möchte ich euch wieder
etwas zu Weihnachten schicken, aber in einen Brief ist
nicht viel hinein zu legen, aber für die liebe Eltern kann
ich nicht unterlassen eine Kleinigkeit zu Weihnachten
hinein zu legen, ich wünschte selbst es wäre etwas besseres,
aber Sie müssen für diesmal schon mit dem Wenigen
vorlieb nehmen. Ach, wäre nur der Kasten abgegangen,
doch aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben. Die Jungens wollen
den Großpapa ihre Weihnachts und Neujahrs wünschen selbst
abschreiben und hinschicken, und schreiben was sie bekommen haben,
doch nun Adje, Adje, der Herr sei mit uns Allen, in treuer liebe,
ihre Marie[14].. Es ist heute den 28. Frau Mathies in Hohendorf
Seitlich (S. 036) –
gestorben 64 Jahre alt. Johannes steht neben mir und sagt – ich soll sehr grüßen von seinem, schreiben wird jetzt nichts.
[1] Dieser Brief wurde von Maria Hamm GRANDMA #138304, (1849-1885) in Köppenthal Am Trakt, an ihre Eltern und Geschwister geschrieben.
[2] Willi Frese. Elisabeth Quiring #1454140, (1881-1883)
[3] Willi Frese. Johann Quiring GRANDMA #342363, (1851-1912)
[4] Willi Frese. Mama=Maria Esau GRANDMA #100630, (1816-29.04.?)
[5] Willi Frese. Netchen=Nete. Plattdeutsch Anna.
[6] Willi Frese. Maria Quiring GRANDMA #1454142, (1880-1945)
[7] Willi Frese. Schwiegermutter=Maria Bartsch GRANDMA #342362, (1831-1890)
[8] Willi Frese. Eventuell Jacob Hamm GRANDMA #111788, (1844-1911). Aus dem von mir abgeschriebenen Tagebuch Johannes Dyck: „18.12.1879 Dienstagmorgens 22 Grad. Jakob Hamm jun. und ein Mol. Namens Wiebe abgefahren nach Taschkent.“
[9] Willi Frese. Eventuell Johannes Kopper GRANDMA #311853, (1856-1937).
[10] Willi Frese. Eventuell Peter Kopper GRANDMA #513588, (1858-?)
[11] Willi Frese. Eventuell Justine Hamm GRANDMA #311854, (1859-1914).
[12] Willi Frese. Kasten=gemeint ist ein Paket.
[13] Willi Frese. Dosche=Dos`che=kleine Dose.
[14] Willi Frese. Eventuell Maria Hamm GRANDMA #138304, (1849-1885).
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[1]Geliebte Eltern und Geschwister!
Es ist Mittwoch, den 12. Januar<1883. AW>. Johannes ist zur Abendstunde gegangen,
die Kinder sitzen in der Mittelstube und lernen Gedichte
zur Silberhochzeit[2], und ich sitze in der großen Stube vom Bettchen unseres
kranken Lieschen[3]. Ach meine lieben Eltern sie liegt einer
kleinen Leiche ähnlich da. Sie liegt aber, wenn es irgend ihre
Krankheit zulässt, ohne Bedürfnisse ruhig da. Sie hat wohl die
Auszehrung, muss beinah fortwährend Husten und hat immer
Fieber. Bis hierher hatte ich geschrieben, da wurde sie unruhig, und ich
musste mich lange mit ihr beschäftigen. Heute ist Freitag, gestern
Abend glaubten wir, ob es auch könnte zum Ende gehen, liegt aber
heute noch so. Es tut mir unendlich leid um sie, ihr Atem geht
fortwährend rasch, gegessen hat sie schon Tage nichts, nur ganz wenig
trinken, wir glauben nicht, dass es lange so bleiben kann. Sollte es
aber noch einige Tage so bleiben, dann kann ich nicht einmal zur
Silberhochzeit, doch des Herrn Wille geschehe, er alleine weißt Zeit
und Stunde, wann Hilfe nötig ist. Hans[4] hat auch 2 Tage gelegenen,
Kopf und Halsweh, doch heute ist er wieder zur Schule gegangen.
Jacob[5] und Marie[6] sind schön gesund, besonders Marie, weil Lieschen
jetzt so krank ist, soll sie etwas still sein, aber es ist keine Möglichkeit.
Sie hat während zu sprächen, zu fragen, zu laufen. Konnten wir
sie jetzt nur mal auf ein paar Tage hinschicken. Die Zeit wird dann
nicht lang, wo sie ist. Es ist heute Kreisrechnung, wir sind auch sehr
eingeladen, Johannes wird auch wohl hingehen. Sonnabend war Schulzen[rechnung]
und Montag Kirchenrechnung, aber mir ist es beinahe alles gleichgültig.
Wenn Lieschen es nur bald etwas leichter hätte. Nun
meine lieben Eltern was machen Sie denn, sind Sie noch schön
gesund? Ihnen lieber Papa kann ich nicht genug danken, dass
Sie so oft schreiben, ach sie glauben nicht was Sie mir Liebes damit
tuen. Ach wie sehr freue ich mich jedes Mal und wenn es noch so
wenig ist, der Herr segne und vergelte es Ihnen, fühle ich mich doch oft
hier so sehr verlassen. Ei wie wird es unsrer liebe Anne[7] in Taschkent
gehen, es tut mir sehr leid, um Sie lieben Eltern, auch um
Anne, dass Sie sich haben trennen müssen, aber der Herrn Wege
sind oft in unseren Augen sehr wunderbar. Ach wenn sie doch auch
nur glücklich sein möchte, ich denke so sehr viel an ihr, will jetzt
bald an ihr schreiben, wenn ich nur erst werde besser können[8].
Aber nun sitze ich kaum, dann muss ich schon wieder aufstehen.
Ach meine liebe Mama wie oft habe ich Sie in dieser Zeit schon
her gewünscht, dass wünschen kostet ja nichts, nicht wa[h]r? Wenn
Sie jetzt ein Paket erhalten werden, da sind viele Mützen drin,
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für Sie liebe Mama aber nur eine, doch es sind ja die Namen bei
geschrieben, der Katun[9] und das Band herum ist aber Ihres. Der Katun ist
aber wohl nicht zu was zu brauchen, als vielleicht als Gardienen. Ich
hatte aber nicht grade anderen, Schwester Annchen ihre Mütze ist
in Saratow in dem Kasten. Hätte ich gewusst, dass es dort liegen
bleiben würde, ich hätte die Mützen und die Wolle zu eure Mützen
liebe Anne und Justchen jetzt mitgeschickt, doch das Geschehen ist
nicht ungeschehen zu machen. Frau C. Wall ihre Mütze von Eiswolle
und Wollspitzen ist solche, wie ich wünschte, dass Sie liebe Mama eine
haben sollten von die Wollspitzen und Eiswolle, welche ich schickte
wenn Sie einmal den anderen Kasten erhalten werden, dann
denken sie nur sehr beim Auspacken daran, dass überall Tassen da-
zwischen gepackt sind, auch in der Sähmaschiene. Schwester Annchen
schrieb, dass sie Arsch[in][10] Bög[en] zum Rock nur 1 ¼ geschrieben hätte.
Ich habe so viel gekauft, dass sie gut zureichen wird, ich habe von allem
eher mehr, wie weniger gekauft. Wenn Sie es nur erst hätten,
da ist so vieles darin, was Sie jetzt schon nötig brauchen werden.
Was werden Sie sagen, lieber Papa, dass uns 2000 Rubel geboten
und wir nicht verkauft haben, wir waren anfangs beide für verkaufen,
aber die Leute und nach (mehr) langem Überlegen wurde
es Johannes leid, wer weiß denn ob es wird für uns zum Schaden,
oder zum Guten sein. Anfangs war ich sehr für verkaufen, aber
übrigens bin ich mit allem zufrieden, wie Johannes es macht.
Ach liebe Mama, ich denke oft wie Sie denn sagten, wenn Sie es auch
gerne anders gehabt hätten, wie Papa manches Mal wollte. Wenn
Papa so will, ist es auch so gut, und ich will ja streben Ihnen immer
ähnlicher zu werden, dass die Leute einst von mir so sprechen,
wie sie von ihnen. Das Sie oftmals Schaffleisch haben, freut mich
sehr, auch dass Sie noch etwas Milch bekommen. Schreiben Sie
nur immer alles, es ist mir das geringste nicht zu wenig, wir
kriegen auch noch ein bischen Milch. Ich wollte heute noch Butter,
aber es gab nichts, mein Mädchen butterte zu langsam und ging
auch mitunter noch davon. Wenn Sie herkommen konnte,
backte ich Waffeln, aber so habe ich keine Lust, Lieschen sieht es
augenblicklich im Gesicht sehr schlecht, mein Gott hilf ihr, doch ich
werde für diesmal schließen, es ist hier auch sonst alles beim
alten, der Herr sei mit Ihnen wie er mit uns sein wolle,
Adje, Adje liebe Eltern und Geschwister, nun öfters schreiben bittend
verbleibe ich ihre Tochter und Schwester Marie[11].
Bald hätte ich vergessen zu erzählen, was wir den zur Silberhochzeit
schenken wollen, Johannes kaufte mit Hamms zusammen
neuen Samowar, ich habe von Silberpapier einen Kranz gemacht
unter Glas, Jacob bringt einen geflochtenen Teller mit einer
Labe, Hans bringt ein strames[12] Schnupftuch[13] eingebunden ein
paar Holzkorken, die sich der Onkel immer bestellt hat, die
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kleine Marie eine Schachtel auswendig lauter Silber, das heißt
aber nur Silberpapier, es würde alles recht schön gehen, wenn es
etwas besser mit Lieschen wäre, ich sollte sonst vormittags alles
besorgen helfen und Mittag für die Gäste bereiten und Nachmittag
fahren, aber es wird wohl von allem nichts werden, vielleicht holt
der Herr sie auch noch bis dahin heim, sein Wille geschehen.
[1] Willi Frese. Diesen Brief hat Maria Hamm GRANDMA #138304, (1849-1885) in Köppenthal Am Trakt, an ihre Eltern und Geschwister geschrieben.
[2] Willi Frese. Silberhochzeit. Silberhochzeit von Franz Suckau GRANDMA #426050, (1830-1896) mit Maria Hamm GRANDMA #4688, (1825-ca. 1890), am 28 Januar 1858. Aus dem Tagebuch Johannes Dyck: 16.[Januar 1883] Sonntag bei Suckaus auf der Silberhochzeit.
[3] Willi Frese. Lieschen=Elisabeth Quiring GRANDMA #1454140, (1881-1883)
[4] Willi Frese. Hans=Johannes Quiring GRANDMA #1454138, (1876-1935)
[5] Willi Frese. Jacob=Jacob Quiring GRANDMA #1367153, (1875-1942)
[6] Willi Frese. Marie=Marie Quiring GRANDMA #1454142, (1880-1945)
[7] Willi Frese. Anna Hamm GRANDMA #130901, (1847-1926)
[8] Willi Frese. wenn ich nur erst werde besser können=Wenn sie mehr Zeit haben wird.
[9] Willi Frese. Kattun= sehr festes Gewebe aus Baumwolle.
[10] Willi Risto. Arschin=71 cm
[11] Willi Frese. Maria Hamm GRANDMA #138304, (1849-1885)
[12] Willi Risto. Strames=stroum, hübsch. Plattdeutsch.
[13] Willi Risto. Schnupftuch=Taschentuch. Plattdeutsch Schneppelduck.
[1]Köppenthal, den 16. Januar 1883.
Werte Eltern und Geschwister!
So eben heute den 16. Januar 7 Uhr abends, ist unsere kleine[2]
Heimgeholt worden in die ewigen Hütten des Friedens. Lang
und schwer hat sie kämpfen müssen, so dass wir ihre Auflösung
fast herbeiwünschen mussten. Wie schön wird’s sein,
wenn wir uns dereinst nach dem letzten Kampf und Strauß
endlich alle wiederfinden werden, vor fern und nach, in dem
schönen großen Vaterhaus dort oben. Marie kniet am
Bettlein und weint stille. Zeichen des Wehmuts, es fehlen
ihr in solchen Fällen doppelt die Ihrigen. Ich sitze und schreibe.
Die Silberhochzeitsfreuden sind getrübt. Als ich die Nachricht von
dem Heimgange der kleinen Liese bekam, eilte ich sofort nach Hause,
alleine, [aber] ich fand sie bereits als Leiche. Marie war schon seit ein
paar Stunden daheim. Ich war mit ihr nach Hause gefahren, es
schien uns noch alles beim Alten, daher konnte ich zurück. Sanft
und ohne Todeskampf ist sie hinübergeschlummert und weilt bei
ihrem Schwesterchen in des Hirten Arm und Schoß. Begräbnis
wird wahrscheinlich Freitag, den 21. Januar sein. Bis dieser
Brief – er soll noch in den Geldbrief – zu Ihnen kommt, hat sich
der kleine Grabhügel bereits länger gewölbt. So verpflanzt Gott
der Herr ein Pflanzlein nach dem andern in den schöne
Himmelsgarten. Die Liesbeth erkrankte am 1 Advent, fieberte
und kränkte trotz aller Medizin bis Neujahr. Vom Januar
wurde die Krankheit entschieden schlimmer. Acht Tage lang
hat sie am Rand des Grabes gelegen. Die Krankheit war
doch wohl ein böses Zahnfieber. Mit herzlichem Gruß Ihre
betrübte Kinder und Großkinder. Quiring
[1] Willi Frese. Dieser Brief wurde von dem Ältesten Johannes QuiringGRANDMA #342363, (1851-1912), Köppenthal Am Trakt, an seine Schwiegereltern Jacob Hamm und Maria (Esau) Hamm und ihre Kinder, die Geschwister (von seiner Frau Maria) in Turkestan geschrieben.
[2] Willi Frese. Unsere kleine=Elisabeth Quiring GRANDMA #1454140, (1881-1883)
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Jetzt ein Brief von Mariechen[1], den letzten.
Köppenthal, den 24. Oktober 1884.
Teure Eltern und Geschwister!
Vieles liegt wieder hinter uns, aber noch viel mehr vor uns. Das
Johannes[2] dann doch Aeltester geworden, haben Sie ja schon von ihm
Selbst gehört. Wie war uns oft so bange darum und es ist doch geschehen. Nun
will ich Ihnen dann auch so viel ich schriftlich kann, manches von dem
wichtigen Tage der Woche und Einführung erzählen. Den Mittwoch vorher
schlachteten wir Rindvieh, dass ich zu dem Tage auch recht schönes Fleisch
hatte. Wir hatten bei alledem aber eine ganz miserable Köchin, die
wir nur Wochweise hatten und die war es manchmal kaum zu geraten.
Donnerstag, als wir das Wasser heiß hatten zum Stuben scheieren[3], sagte
sie: nein Weß [Wolgadeutsch Weß=Tante] kann keine Stube waschen, ich bin nicht Gesund, ich
kanns nicht durchmachen und so nahm sie ihre Sachen und ging ab, —-
Sonntag wollten aber viel Gäste kommen, war unter [ihnen] auch Tante
Mariechen. Ich ging nach Dyck, wo ich wusste, dass zwei Mägde waren. Nun
war aber grade die eine den Morgen weggegangen, doch nach einer
Weilchen besinnen, sagte die Nette, sie werde mitkommen. So kam
sie dann und scheierte die Stuben. Freitag kramte ich dann so viel zurecht,
wie ich konnte. Sonnabend wollte ich dann Braten kochen und backen,
denn es waren schon Mittagsgäste angemeldet. Wenn ich an alles dachte,
wurde mir doch etwas bange, allein fertig zu werden. Aber der liebe Heiland
ließ mich nicht im Stich. Sonnabend ganz früh kam die weggelaufene
Köchin von Dycks, ob ich sie nicht bis Weihnachten mieten [einstellen] wollte.
Nun da war ich ja aus aller Noth. Das ist sonst ein braves Mädchen. Ihr
Weggehen von Dycks, hatte seinen eigenen Grund. Ich sagte natürlich ja,
wenn Dycks nichts dagegen hatten. So mieteten wir sie und wir hatten
eine Köchin, die doch schon etwas verstand. Tante Suckau[4] kam Vormittag
schälte und schnitt Äpfel zu Apfelmus. Und so bekam ich noch alles zuletzt
ganz bei Zeit fertig, aber wie viel und oft ich in der Zeit Ihrer gedacht können
Sie sich wohl denken. Wie oft bedurfte ich Ihren Rat liebe Mama[5]
und doch konnte ich ihn mir nicht holen. Doch nun zur Sache, ich habe mich
recht lange in der Vorrede aufgehalten. Es war zu dem Tage eine weiße
Altardecke gekauft, auch waren trotz spätem Herbst noch viele Kränze
gewunden. Joh. Epp kam her und fragte, ob ich nicht des abends noch
zur Kirche kommen möchte, um zu helfen das alles anzubringen.
Anfangs glaubte ich, es wäre nicht recht passend, um meines Manns
zu Ehren ausputzen zu helfen, doch meinte Epp, wir wären da ja nur
so unter uns. Ich sollte nur kommen, wie ich dann mit allem
fertig war, ging ich nach Suckaus an, nahm die Mädchen mit und wollte
dann sehr ausputzen. Es war aber, glaube ich 7 Uhr durch, wie wir aber hinkamen
wurde sehr gesungen. Peter Janzen hielt mit einem Großteil
Kinder und Erwachsenen probe Gesang. Jon. Epp und Bartsch, die schon uns erwarteten,
meinten wir wollten nicht eher was machen, als bis die Sänger
weg waren, die Decke befestigten wir aber, sie war aber so groß, dass die Kwasten
dann auf dem Boden lagen. Nun steckten wir die Ecken auf und wenn es an
allen 4 Ecken gleichmäßig war, sah es auch recht gut aus. Aber die kleinen,
wie die großen Tüten gleich zu bekommen, war noch recht langweilig.
Als dann die Sänger weg waren, gings an die Kränze. Da
kam noch die Nachricht, dass Tante Marichen noch einen Kranz auch Sträuße
schicken wolle. Auch noch unsere anderen Kränze kommen werden,
aber nur alles Sonntags früh. Nun blieb dann nichts andres übrig,
als Sonntag früh nocheinmal hin. Suckaus Mädchen[6] sollten das schon
allein machen, weil aber Tante Marichen ihres dabei war, taten sie es
nicht, so waren wir dann halb sechs wieder in der Kirche. Es waren noch
viele Kränze. Die Wände zu beiden Seiten der Kanzel waren mit
langen und runden Kränzen recht hübsch belegt. Um die Pfeiler an der
Kanzel und Kanzel selbst, war ein Kranz gewunden. Um den Altar
auf der weißen Decke war ein hübscher feiner Kranz mit lauter
Tenskogen bedenhaft herum gelegt. Da waren außer den vielen runden
Kränzen, noch 6 Blumenvasen mit Blumen. 4 mit natürlichen, 2
mit gemachten Blumen. Letztere von Tante Marichen. Mit noch 5 kleinen
Bauhuets. Da wurden 3 von in die Bügel des langen Kranzes um den
Altar gesteckt und 2 auf jeder Ecke eins. So geschmückt verließen wir
dann endlich die Kirche. Mir war auch schon recht bange, denn ich hatte
noch manches zu besorgen, ehe ich zur Kirche gehen konnte. Wie ich dann
alle Stuben gekehrt, Betten alle gemacht, Tischen alle gedeckt, wollten
Frühstück trinken. Die anderen, außer mir und Johannes, hatten
schon getrunken, aber „nein“ dachte ich erst noch alles Mittag in die Röhre
setzen. Nun will ich auch gleich sagen, was ich dann einsetzte 1 Rinderbraten,
die Suppe gleich fertig, dann einen tüchtigen Topf Pflaumensuppe,
einen Topf mit Plots[7] und dann noch eine Schüssel mit Apfelmus,
die setzte ich aber nur neben dem Ofen. Die Stubentür zu der
Röhre schloss ich zu, weil Köchin und Kindermädchen zu Hause blieben.
Nun wollten wir dann trinken. Dann kamen Peter Janzens[8], Hohendorf
mit 6 Kinder angefahren, auch zu Mittag. Da war mir anfangs,
etwas beklommen, aber es sollte ja heute kein unfreundlicher
Gedanken komme. Es ging auch ganz gut, nur vom Frühstück Trink
wurde nicht viel. Wir machten noch die Tische zum Mittagsessen
zurecht und dann gings zur Kirche. Bis hierher hatte ich geschrieben,
nun sind aber schon wieder über 14 Tage, seit der Zeit verflossen,
will aber Heute, wenn möglich den Brief fertig machen. Die
Lieder, die gesungen wurden, werde ich mitschicken. Wie das erste
Lied gesungen war, kamen die Prediger herein. Joh. Epps
blieb am Altar und las den 118 Psalm vor, darauf sang der Chor.
Dann eine kurze Rede und Gebet. Dann ein 3-stimmiges Amen. In der
Zeit war Ohm Froese auf die Kanzel gestiegen, führte mit wenigen
Worten an, weshalb wir einen Ältesten nötig haben, da der
alte ja noch lebe. Das war nun zwar für uns, aber noch mehr für Ohm
Hamm[9], der auch in der Kirche war etwas peinlich. Dann sagte er
wie der Herr einst zu Simon Johna dreimal Sprach: Simon Johna
hast du mich lieb? So hat er auch dreimal zu Johannes es gesprochen,
dass erste Mal, wie er zum Lehrer der Schule gewählt, das zweit [mal],
wie er als Lehrer an der Kirche und nun zum dritten mal. Ach geliebte
ich hätte wohl gewünscht, wenn sie es hätten hören
können, wie eindringlich Ohm Fröse alles sagte und wie er
noch das Gebet hielt, ich weiß nicht, ob ich schon jemand so habe
beten gehört. Sein Angesicht glänzte ordentlich. Da wurde wieder
gesungen und Ohm Töws[10] trat an den Altar, hielt eine
sehr wichtige Rede an die Gemeinde, so wie auch an Johannes
darauf musste er vortreten und meine geliebte, viele schwere
große Verantwortungen und ernste Fragen wurden ihm vorgehalten.
Da musste er Niederknien, Ohm Töws legte die Hand auf
Ihn, betete und segnete ihn ein. Es sind wohl wenige Augen an
diesem Sonntage trockengeblieben. Dann richtete er Johannes auf begrüßte
ihn, tröstete ihn und sprach ihm Mut zu. Darauf kamen auch
alle andre Lehrer zu begrüßen, was noch eine nette Zeit in Anspruch
nahm. Sie waren aber alle sehr Ernst und Teilnehmend. Es ging bis
auf die Kanzel und hielt eine Rede über den Spruch 1 Korin. 2V 2.
Da wurde wieder gesungen und Sterkel trat an den Altar, redete
noch manches ernste Wort an der Gemeinde, wie zu Johannes.
Darauf hielt Ohm Töws Schlussrede und Kirchen Gebet und die Gemeinde
sang noch paar Versen. Beim Herausgehen, sang noch der
Chor. Wie wir nach Hause kamen, war die Uhr beinahe halb zwei.
Ich war schon ein bisschen vorausgeeilt, um wenn Gäste zu empfangen,
da wurde auch ich noch von dem Pastoren besonders begrüßt
und ermahnt, auch im wahren Sinne des Wortes eine Frau des
<Der Rest fehlt. AW>
[1] Willi Frese. Marichen=Maria Hamm GRANDMA #138304, (1849-1885)
[2] Willi Frese. Johannes Quiring GRANDMA #342363, (1851-1912)
[3] Willi Frese. Scheiern=scheuern, die Dielen scheuern, reinigen.
[4] Willi Frese. Tante Suckau=Maria Hamm GRANDMA 4688, (1825-Abt 1890)
[5] Willi Frese. Mama=Maria Esau GRANDMA #100630, (1816-?)
[6] Willi Frese. Suckaus Mädchen=eventuell Marie GRANDMA #1156979 und Anna GRANDMA 1219212
[7] Plots=Riebelkuchen=Streuselkuchen. Plattdeutsch.
[8] Willi Frese. Peter Janzen=eventuell GRANDMA #531445, (1843-1910)
[9] Willi Frese. Ohm Hamm=David Hamm GRANDMA #4685, (1822-1894)
[10] Johann Töws (10.12.1803- 19.02.1889), GRANDMA #1349734. Er war ehrenamtlicher Älteste. Wurde auch als 2. Älteste bezeichnet. AW