
Cornelius Penner heiratete am 30.02.1929 Katharina Bergen (21.09.1904 – 16.12.1981) aus Alt-Samara. Sie hatten vier Töchter, die erwachsen wurden:
- Elli
- Gerda
- Nina
- Meta
Cornelius Penner war 1930 im Forstei Dienst im Gebiet Omsk. Zu sehen auf dem Gruppenfoto unter Nr. 4 in der 3. Reihe. AW
Familiengeschichte Cornelius und Katharina Penner
Aufgeschrieben von Cornelius Penner
Zugeschickt von Elsa Wall, geb. Penner mit
freundlichen Genehmigung zur Veröffentlichung
Bis zum Januar 1930 lebte ich in der Familie meiner Eltern. An einem eiskalten Wintertage – 3. Februar 1929 feierten wir in den trauten Verwandtenkreisen unsere Hochzeit. Die Trauhandlung vollzog unser beiderseitiger Onkel Heinrich Penner. Trautext: Hosea 2,21-22.
Ganz aktuell klangen für die Braut die Worte aus dem Hochzeitsliede:
„Willst du mit diesem Manne zieh´n,
Du Braut im Feierkleide.“´
Denn nach der Hochzeit galt es Abschied nehmen vom Elternhause, Mutter, Geschwistern – dem großen Verwandtschafts- und Freundschafskreise, um in die ferne Heimat des Mannes zu ziehen. Reine – ungezwungene und herzliche Freundschaft verband die Kinder und Jugendlichen des Verwandtenkreises: Bernhard und Johannes Bergen und Heinrich Penners. An diese froh verlebten Stunden im Spiel im Garten und Wiese, im Gesang und Frohsinn, erinnerte sich noch unlängst Cousine Anna Bergen (jetzt auch schon gestorben).
Aber nicht lange währte das Glück des Zusammenlebens in der neuen Heimat. Schon nach weniger als zwei Jahren mussten wir Haus und Hof und alles was darinnen war, verlassen. Wir kamen zurück in Katharinas Heimat nach Neuhoffnung. Aber schon nicht mehr zu zweit, sondern wir brachten auch unser erstes Töchterlein – Elli mit. Dort angekommen fanden wir die Schwiegermutter im Sarge. Durch Vermittlung meines Vetters Peter Penner wurde ich im Dorfrat als Sekretär eingestellt, später war ich Buchhalter, zuerst im Kolchos, dann in der Konsumgesellschaft.
Uns wurden fünf Kinder geboren, vier Töchter: Elli, Gerda, Nina und Meta und ein Sohn, der aber als Kleinkind starb.
Im Juni 1941 brach der Krieg aus. Für uns Deutsche brachte er spezifische Folgen. Alle Deutschen des europäischen Russlands, soweit sie noch nicht in den Bereich der heranrückenden deutschen Armee gekommen waren, wurden ausgesiedelt. Die Wolgarepublik im September nach Sibirien, aus dem Gebiet Kujbyschew im Dezember nach Kasachstan.
Es war erlaubt, Kleider, Betten und Lebensmittel mitzunehmen. Unsere Gruppe kam nach Shana-Arka. Von dort ging es mit Pferde- und Ochsenschlitten in die umliegende 20 bis 40 km entlegene Aule. Ob 80 Jahre alt, oder 8 Monate… alle mussten hinaus in Frost und Schnee. Es ist ein Wunder, das niemand erfroren ist, alle kamen an Ort und Stelle.
Im Januar wurden die Männer in die Arbeitsarmee in den Norden mobilisiert. Die Frauen und Kinder blieben in den Aulen ohne Arbeitsgelegenheit und ohne materielle Versorgung zurück. In April wurden alle Frauen, die keine Kinder unter drei Jahren hatten auch in die Arbeitsarmee des Nordens mobilisiert. Da wurde auch meine Frau und meine Schwägerin Agneta Bergen mobilisiert.
Im Aul blieben 4 und 6 jetzt völlig verwaiste Kinder zurück. Ohne jegliche Pflege und Versorgung, ohne Schule, Hunger war ihr tägliches Los. Das sie unter solch völlig aussichtslosen Lebensbedingungen am Leben geblieben sind, ist ein Wunder Gottes.
Ende Oktober 1943 kam ich nach Shana-Arka, bekam auch gleich Arbeit im Rayon Zentrum, auch eine Wohnung und konnte meine Kinder zu mir nehmen. Die Freude war groß. Aber wie sahen die Kinder aus. Skorbut, das Zahnfleisch blutete (lebendige Skelette ist doch wohl etwas Zuviel gesagt?!) Aber sie waren alle am Leben. Ich brachte sie zum Arzt, er gab Jod zum Mund spülen und verordnete Gemüse. Aber wo dieses finden? Damals pflanzte man in den Aulen keine Kartoffeln, Kraut und Mohrrüben kannte man überhaupt nicht. Dennoch gelang es mir bei russischen Einwohnern 2 Kilo Zwiebeln zu 70 Rbl. pro kg zu kaufen, aber mir blieb vor Staunen der Atem stehen: Meine Mädchen aßen die Zwiebel wie Äpfel!!! So war der Organismus nach Vitaminen ausgehungert. So fing in unserem Leben eine neue Periode an. Der Hunger hatte zwar noch nicht aufgehört, auf die Brotkarten gab es Hirse oder Roggenmehl, selten mal Weizenschrottmehl. Das war so wenig, dass es nicht einmal zur Mehlsuppe langte.
Seine Tochter Gerda Müller sagte:
Papa arbeitete im Selpo. Er muss irgendwo was gesagt haben. 1939 wurde er verhaftet. Er bekam drei Jahre Gefängnis. Kam nach Sibirern, nach Urumkai, bei Amur. Er sagte:
– „Es war eine wunderschöne Gegend. Die Menschen waren hier sehr gut. Hier möchte ich wohnen.“
So war er nicht in der Trudarmee.
Boris Bergen schrieb:
– „Tante Tina wurde das Haus weggenommen. So wohnte Tante Tina mit ihren Kindern: Elli, Nina, Gerda und Meta bei uns. 1941 wurden wir mit ihnen zusammen ausgeschickt und kamen nach Ajubek einem Kasachen Dorf bei Shana–Arca. Tante Tina wohnte mit ihren vier Mädchen am anderen Ende des Dorfes. Elli die älteste war in Dezember erst zwölf Jahre alt geworden.
1942 wurden Mama und Tante Tina auch in die Trudarmee genommen. Ich blieb mit meinen jüngeren Geschwistern. Heinrich, Justina, Georg, Paul und Jakob allein. Dann kamen auch noch Tante Tina ihre vier Kinder zu uns.
So waren wir 10 Kinder allein geblieben, ohne Mittel, ohne Versorger, ohne Brand.
Ich war selber erst 14 Jahre alt.
Ende Oktober 1943 kam Onkel Korne aus der Gefangenschaft zurück. Bekam in Shana-Arka Arbeit und holte seine vier Mädchen nach Shana-Arka.“
Onkel Corne schreibt weiter:
Da war auch die Kommandantur. Ohne die schriftliche Erlaubnis durften wir nicht die Grenze unseres Dorfes übertreten. (Die Sklaverei in Amerika vor 100 Jahren.) Die Apartheid in Südafrika stempeln wir als eine des Menschen unwürdige, das Menschenrecht mit Füßen tretende politisch-gesellschaftliche Erscheinung. Wirklichkeit durchlebt, durchduldet.
Der Krieg war zu Ende, die in der Arbeitsarmee mobilisierten kamen zurück zu ihren Familien. Meine Frau arbeitete zu Zeit in Kirow in einer Schuhfabrik. Dort brauchte man dringend Arbeiter und man entließ sie nicht von der Arbeit. Erst nach wiederholtem Anfragen unseres Kommandanten am Ort und des Gebietskommandanten gab man ihr im Februar 1947 die Erlaubnis zu ihrer Familie zurückzukehren. Nun war die Familie wieder vereint. Aber die materiellen Lebensverhältnisse waren noch gespannt, ein Kampf ums Dasein, ein Kampf um das tägliche Brot. Da wurde fleißig gesponnen und gestrickt, und die Mädchen mussten tapfer mithelfen.
(Gerta sagte, wir wohnten erst in einem Aul, im Gebiet Schana-Arka, dann wohnten wir in Schana -Arka, da wohnte auch Onkel Peter Penner, dann in Uspenka und dann in Agadyr, so sind wir in der Kriegszeit von einem Ort zum andern gezogen.)
Im Dorf hatten wir eine 10 Klassenschule. Das Weiterlernen in Hochschulen war offiziell erlaubt, aber von den Kommandanten erfolgreich torpediert. Gerda hat die Hochschule im Fernkursus absolviert, Nina etwas später das Technikum in Alma-Ata beendet, Meta konnte schon uneingeschränkt in Taschkent studieren.
Mittlerweile waren auch die Töchter herangewachsen und hatten sich verheiratet. Den 3. Januar 1969 zogen Katharina und ich nach Karaganda, wo wir geistlichen Anschluss in der Mennonitengemeinde fanden. Um den Abend wird es Licht! 13 Jahre konnten wir hier in Karaganda ein nach materieller Seite sorgenloses und ein geistlich gefülltes Leben führen. Katharina war gesegnet und ist für viele zum Segen geworden.
Den 3. Februar 1979 konnten wir unsere goldene Hochzeit feiern und beinahe 3 Jahre in aller Stille, sorgenfrei einen friedlichen Lebensabend durchleben. In dieser leidvollen, sturmbewegten Zeit war dieses nur wenigen Eheleuten beschieden und wir waren dankbar. Nach längerer Krankheit ist Tinchen den 17. Dezember 1981 im vollen Frieden heimgegangen.
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Die Kirchlichen Mennoniten in Karaganda versammelten sich ab 1957 in den Häusern (auch Maria Bergmann geb. Penner gehörte zu den ersten Gemeindegliedern). Schon wenige Monate nach dem ersten Gottesdienst, ließen sich am 23. März 1958 25 Menschen taufen. Im nächsten Jahr wurden weitere 41 Personen getauft, so dass die Gemeinde sehr schnell wuchs. Anfang der 1960er Jahre wurden die Hausversammlungen verboten und die Mennoniten besuchten die Gottesdienste der Brüdergemeinde. Dort waren sie aber nur Gäste.
Einige Jahre später nahm man die Hausversammlungen wieder auf, doch die Häuser konnten die Gläubige nicht mehr fassen. Alles wirken um die Registrierung als Gemeinde und die Erlaubnis zum Kirchenbau war ergebnislos geblieben. Die Obrigkeit riet den Kirchlichen Mennoniten, sich in dem von der Brüdergemeinde erbauten Bethaus zu versammeln. Schweren Herzens tat man das. Man wollte die Geschwister nicht beengen und hätte lieber ein eigenes Haus, aber es war noch nicht möglich.
Ab ca. 1968 versammelten sich nun die Kirchlichen nachmittags im Bethaus der Brüdergemeinde. Bruder Jakob Thießen diente ca. 20 Jahre der Gemeinde als Ältester bis 1977. Dann wurde Julius Siebert[1] zum Ältesten der Gemeinde gewählt. Die Zahl der Mitglieder erhöhte sich bald bis 400. Cornelius Penner kam auch 1969 nach Karaganda und wurde später zum Prediger gewählt. Onkel Korne fuhr auch nach Schutschinsk und teilte den Geschwistern der Kirchengemeinde das Abendmahl aus und diente ihnen mit dem Wort Gottes.
Erst 1975 wurde die Gemeinde von der Obrigkeit registriert, es dauerte noch fast weitere zehn Jahre bis am 30. Oktober 1984 eine eigene Kirche eingeweiht werden konnte.
Kornelius lebte nach Tante Tinchens Tode mit seiner Tochter Gerda zusammen. Onkel Korne starb den 26.12.1991. Sie hatten schon die Erlaubnis zur Ausreise nach Deutschland. Sein Schwiegersohn Artur Müller fuhr nach Moskau um die Fahrkarten nach Deutschland zu lösen und Visum zu machen. Er kam gerade zum Begräbnis seines Schwiegervaters zurück.
[1] AW. Julius Siebert (1925-1996), #1006965