4. Kapitel

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100.

Darum nehme ich meine Zuflucht zu dir und bitte Dich, du wollest dich erbarmen und aus Gnaden dich meiner und unseres Häufleins annehmen und Alles mit uns nach deinem Wohlgefallen und zu unserm Besten zu lenken. Bist du doch von Anfang unserer Einwanderung an so gnädig mit uns gewesen. Ja du hast über Erwarten öffentlich vergolten, warum im stillen Kämmerlein zu dir gefleht worden. Habe Dank! Dank für diese deine große Gnade und Barmherzigkeit. Nun thue aber nach dieser Gnade über uns hinzu, daß du uns, so schlecht wir sind und so viel Verdorbenheit und Sündhaftigkeit sich unter uns findet mit deinen Augen leitest und führest. Du kennst die Versuchungen die aus uns losstürmen. Dir ist bekannt, wie fast jeder das seine, nicht das deine sucht. Du weißt wie wir von Natur todt darnieder liegen. Dies alles aber kann dich doch nicht hindern, daß du uns nach deiner Hirtentreue suchst herum zu holen aus der Irre, darin so viele dahin gehen ohne nach Dir zu fragen. O erbarme, erbarme Dich unser und neherer Ansiedlung im Leiblichen und besonders im Geistlichen. Rette doch was sich retten läßt und wenn es auch unter manchelei Anfechtungen und Prüfungen gehen soll. Sammle doch dir auch unter uns ein Heuflein zu deinem Preise und zum Lohn für deine bittre Schmerzen. Laß doch alle Versuchungen und Prüfungen die Du nach deiner Weisheit über uns kommen läßest dazu dienen, daß wir darauf näher zu dir gezogen werden. O mein Erbarmer, der du mir von Kindesbeinen an so gnädig geführet und geleitet hast, der du oft mein Bitten und Flehen nicht verschmähet

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sondern so oft mein Bitten und Verstehen geholfen hast, erhöre auch dies mein Flehn um deiner Liebe willen, denn ich liege vor dir nicht auf meine Gerechtigkeit sondern auf deine große Barmherzigkeit. Hast die ja keinen von dir gewiesen, der zu dir kann, da du auf Erden wandeltest und willst du auch jetzt keinen von dir weisen, der zu dir kommt. O so erhöre das Flehn deines geringen Knechts und übergieb unser Häuflein nicht der Willkühr unseres Feindes, sondern mache, daß alle Versuchungen so ein Ende nehmen, daß wir es ertragen, und laß uns aus jedem Kampf mit neuem Siege hervor gehen. Bringe die Angelegenheiten, die uns jetzt mit Kummer erfüllen, zu einem solchen Ende, daß wir dafür an unserer Seele gewinnen. Sei du Richter, Leiter und Führer in dieser Sache und gieb, daß es uns ein ernst wird, dir ein Kirchlein in unsere Herzen zu bauen, aber laß uns auch eine Stätte finden und ein Haus in gemeinschaftlicher Liebe darauf bauen, worin dein Lob erschallt und dein th. Evangelium verkündet wird. Du Gott Vater, der du uns erschaffen hast, Gott Sohn der du uns erlöset hast, du Gott heiliger Geist, der der du uns heiligest und uns vertrittst mit unaussprechlichen Seufzern. Du drei einiger Gott erhöre dies Flehn um deiner Sünderliebn willen und verschmähe nicht das Seufzen deines Knechts der sich auf dich verläßt.

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Dein Hochheiliger Name sei gelobet und gepriesen in alle Ewigkeit Amen, Halleluja. Amen.

An demselben Tage zu einer andern Stunde.

Noch eins, mein lieber Gott und Heiland! Du weißt es man ist im algemeinen mit unserem Bevollmächtigen Claus Epp nicht zufrieden, und das nicht ohne Grund. Du kennst meine Stellung zu ihm, und ich fühle tief die Verpflichtung daß ich ihm offen mit Liebe und Sanftmuth aber mit heiligem Ernst entgegen tretten soll: aber du weißt auch daß er die leiseste Andeutung auf sein Unrecht entschieden zurück weißt und daß er nach seiner Meinung Recht behält. O meiner treuer Heiland ich weiß und verstehe es nicht, wie es machen soll, du kennst meine Verlegenheit und darum bitte und flehe ich, du wollest ihm das sagen was ich ihm sagen sollte und aber nicht kann. Wo du ihn nicht überzeugst, so weiß ich nicht, wer es sonst vermag. Gib ihm Gnade und öffne ihm die Augen daß er sich als ein armer Sünder zu deinen Füßen lege und so von deiner Liebe überwältigt werde, daß wir mit ihm deine Gnade preisen. Hast du doch auch für ihn dein Blut vergossen. Liebst du ihn doch wie jeden anderen. Meinetwegen laß ihn in keinem Stück etwas entgelten. Was er unrecht gegen mich gethan und mich weh gethan, daß rechne ihm nicht zu. Last auch, indem die Spannung in der Gemeinde immer größer gegen ihn zu werden, so laß die Brüder meinen Rath befolgen, ihm verzeihen und dir anflehn, daß du ihn zu unserer aller Seelen Heiland so führen wolltest, daß wir dadurch gefördert würden.

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O, möchte es bald dazu kommen, daß wir ein stilles ruhiges Leben führen mögen in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit, denn daß ist ja gut und wohlgefüllig von dir! Hilf uns dazu, lenke auch Claus Epp dazu. Herr unser Gott und Heiland, ich lege ihn und uns an dein lieben Jesusherz und flehe und bitte und seufze mache du alles, alles wohl um deiner Liebe willen. Amen.

1859 den 11. September.Er hat seit jener Zeit als ich Vorstehendes hier anfing zu schreiben, noch manchen harten Kampf, manche Reibung und daher viel zu seufzen und zu Ringen und zu beten gegeben. Was mich betrifft, so ist alles, so schwer es mir oft niederdrückte, mir heilsam und dienlich gewesen. Da ich von Natur ein verdorbenes Herz habe, welches der Läuterung bedarf so kann der liebe Heiland nicht anders nach seiner großen Barmherzigkeit als das er mich dann und wann in den Trübsals ofen wirft. Und so hoffe ich wieder, die dies Jahr fehlgeschlagene Erndte, wodurch der großte Theil unserer Ansiedler in Noth und Bedrängtheit kommt, auch dazu dienen lassen. Ja, mein lieber Heiland, laß alles was du an uns thust wenn du segnest und wenn du schlägst dazu dienen, daß wir zu dir gezogen werden und du deinen Zweck an uns erreichst, damit wir dein sein und bleiben in alle Ewigkeit. Amen.

104.

1859 den 20. September. Wie ich alle Tage viel Ursach habe den Herrn für seine Barmherzigkeit zu loben und zu preisen, so besonders heute wo der neugewählte Lehrer unserer Gemeinde Johann Epp seine Antrittspredigt gehalten. Wie habe ich mich gefreut, wie ich ihn Jesum Christum den Gekreuzigten, verkündigen hörte. Möge der Geist Gottes ihn und uns allen nimmer mehr erfüllen. Alle meine Amtsbrüder verkündigen mit mir den um unserer Sünde willen dahingegebenen Heiland. O, was ist daß wir eine unaussprechliche Gnade zu wissen und an unsern Herzen zu erfahren, daß wir einen Heiland, einen Seligmacher haben, und so wie dieser junge Mann sagte, daß nicht der Mensch Gott, sondern der beleidigte Gott die Menschheit oder die Welt mit ihm selber versöhnt hat! Schenkt der Herr meinen 3 jüngen Amtsbrüder ferner Leben, Gesundheit und Gnade, so kann ich in dieser Beziehung bald mein Haupt mit Freuden niederlegen, den die Gemeinde ist gut versorgt. Möchte der Herr uns allen Gnade und Kraft zum Wachen und Beten verliehen damit wir nicht in Anfechtung und Verführung fallen und der Teufel keinen von uns auf irgendeine Weise zum Fall bringe, denn große Macht und viel Licht, sein grauste Rüßtung ist, auf Erden ist nicht seines gleichen.

1860 den 10. Januar.Gesegnete Tage habe ich verlebt. Am E. d. M. als am Epiphanias feste predigte mein lieber Amtsbruder Hamm über das treffende Evangelium, worin er die Notwendigkeit der Ausbreitung des Ev. Unter den Heiden nachwies.

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Dieses kräftige Zeugniß für die Wahrheit wird der Herr nicht ohne gesegnet lassen. Heute als am ersten Sonntage nach jenem Feste predigte mein lieber Amtsbruder Norn über das treffende Evangelium, über die Kindersucht. Herzlich habe ich mich gereut. Möge der Herr meine liebe Amtsbrüder immer mehr und mehr uns ausrüsten, damit recht viele Seelen für den Herrn gewonnen werden. Er möchte die Mehrbegabten in seiner Demuth erhalten und den Minderbegabten mehr Gnade schenken, daß er rechte Treue beweist. Was nicht anbelangt, so stehe ich mein Amt in große Schwachheit mit viel Furcht und Zittern vor und sehe und fülle es täglich, wie viele Fehler ich mache und wie ich so sehr zurück bin in dem, was ich sein sollte. Mein Trost in dieser Beziehung ist, daß der Herr auch das Geringe segnen will und daß sein Wert nicht an Menschen noch an glänzenden Gaben gebunden sei. Sein Name sei gelobet in alle Ewigkeit. Amen.

Heute Nachmittag hatten wir die erste Missionsstunde in der Schule zu Hahns-Au. Der Herr sei gelobt der uns Gnade und Willigkeit gegeben, dieses Werk anzufangen, er wolle es auch segnen und weiter ausbreiten auf unsere Nachkommen. Wenn ich zurück denke wie Senfkorn artig dieses Unternhemen im Jahre 1825in Danzig anfing und wie langsam sich dieser Bau entwickelte, so freue ich mich. Auch im Werder, wo man früher es verspethete halten sie jetzt zu diesem Zwecke Missionsstunden.

106.

Dennoch dies des Herrn Sache, unter denen, die Christen nennen, bleibt es bei dem weit großten Theile unbeachtet und die Theile ohne, dafür ist inbetreff der Seelenzahl wie ein Tropfen der an Einer hängt. O, meine theure Kinder, Schwieger und Großkinder bittet doch den Herr recht angelegentlich und von Herzen den Herr, daß er es euch in eurem Herzen recht klar mache, was er für euch am Stamme des Kreuzes erworben. Bittet Ihn, daß sein Versöhnungsblut bei euch nicht verloren geht oder umsonst vergoßen ist, sondern daß ihr ein Lohn für seine Schmerzen werdet. Und wenn er dieser höchsten aller Gaben und Gnaden theilhaftig geworden seid, dann helft auch mitwirken, daß den entfernten Völkern das Evangelium gebracht würde. Ja bittet den Herrn inbrünstig daß sein Reich komme und gebt von Herzen von eurem

Vermögen, wer viel hat gebe reichlich und mit treuem Herzen. Auf die Treue kommt es besonders an, denkt nicht, das was ihr ausgebt vor dem Herrn und seine Sache verloren ist, er kann es euch doppelt und zehnfach wiedergeben und wird es thun, wenn er es für gut und heilsam hält. Wer aber etwas giebt und denkt der Herr soll es ihm doppelt wiedergeben, dessen Absicht ist unlauter, der der behalte seinen Rubel oder Kop. lieber in der Tasche, denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb. Wer aber von Herzen an den Herrn Jesum glaubt, der Glauben wird nicht unfruchtbar bleiben.

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1860 den 21ten Oktober. Daß des Herrn Wege nicht unsere und seine Gedanken nicht unsere sind, habe ich mit den lieben Meinigen wieder mit tiefer Beugung im vorigen Monat erfahren! – Diesen Sommer wollte mein ältester Sohn Johann der bis dahin noch in Preußen in Mirauerwalde wohnte, mit seiner lieben Frau und Familie bei uns einwandern. Am 28. Juni neuer Styl tratt er die Reise mit den seinigen und noch zwei Familien von dort hierher an. Wir freuten uns seiner Ankunft und berechneten, wann sie hier eintreffen könnten, aber da 8 Wochen verstrichen waren, so fürchteten wir, ihm könnten Krankheiten oder andere Hindernisse in den Weg gekommen sein. Wir baten den Herrn, er wollen die Reisenden schützen und leiten und besonders war mein Anliegen vor dem Herrn, er wolle doch nach der Ankunft meiner Kinder mit uns Allem nach seinem Wohl gefallen machen, daß es zu unserm Besten sei. Ich hatte mich vorgenommen, mein Sohn solle meine Wirtschaft übernehmen und ich wollte mir nur ein Stübchen vorbehalten. Am 7. September erhielt ich einen Brief von ihm aus Arsamas, daß seine liebe Frau dort bedeutend krank liege und auch ihr kleines Kind schon bereits früher krank geworden war, was die Reise verzögert. Am 12. September kam er gesund und fröhlich bei uns an, den kleinen Sohn Cornelius hatten sie begraben. Das war nach 8 Jahren ein fröhliches Wiedersehen!

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Wir dankten dem Herrn für sein gnädiges walten, das er uns zusammen geführt aber es giebt der.

Aber so viele, die wir erst dort droben kennen lernen werden warum sie gewesen. Am andern Morgen bekam er einen Choleraanfall und 1 ½ Uhr Nachmittags war er, unter dem Seufzen und Bitten der Umstehenden zu seiner, Ruhe eingegangen. Er bat vorher dem Herrn er wolle ihm seine Sünden durchstreichen. Das war ein schwerer Schlag für uns, für meinem väterlichen Herzen und besonders für sein liebes Weib. Der Herr aber hat uns, Ihm sei Lob und Dank, mächtig gestärkt durch diesen Verlust, wenn auch gebeugt, doch mit Geduld zu tragen. Am 16. September des Morgens wurde er in meinem Begräbniß wo ich früher manchmal gesagt, wo mein Grab sein sollte, begraben. Die Leiche war im geringsten nicht entstellt, was sonst bei dieser Krankheit der Fall ist. Sarg und Anzug waren wie gewöhnlich, daß wir dieselbe aber so früh zur Ruhe brachten, thaten wir, um nicht Beschuldigungen ausgesetzt zu werden. Nachmittag kamen 22 Familien beisammen und meine lieber Amtsbruder D. Hamm hielt die Leichenrede. Der Herr wolle geben, daß dieser Vorfall uns zum Wachen und Beten ermuntere und so gesegnet bleibe. Dies ist mein Bitten und Flehen bei allen frohen und trüben

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Ereignissen die der Herr, nach seiner Weisheit über mich und den lieben Meinigen kommen läßt, und also darf ich mit Zuversicht hoffen daß er ferner alles besser, wenn ich es auch anders wünschte, ausführen wird, als ich glaubte. Ja, Er hat noch niemals was versehn, das nimmt ein gutes Ende. Meine liebe Schwiegertochter sagt, ihr Mann habe ihr auf der Reise, und besonders als sie so schwer krank lag, mehrmals den Vers zugerufen: „Weg hat Gott aller wegen, an Mitteln fehlts Ihm nicht. Sein Thun ist lauter Segen, sein Gang ist lauter Licht, sein Werk kann niemand hindern, seine Arbeit darf nicht ruhn; wenn er was seinen Kindern, erschrießlich ist will thun.

Hier schließt das Tagebuch meines selig verstorbenen Großvaters Johann Wall, er ist 1860 den 10. Dezember eingegangen zu seines Herrn Freude um dort seinem Wunsch den Herrn ewig zu danken und zu loben nach zukommen. Sanft ruhe seine Asche. Er ist begraben auf dem Kirchhofe zu Hahns-Au.

Diese letzte Zeile, wie auch den Rest vom Tagebuch, hat ein Enkelkind von Johann Wall dazu geschrieben. Noch ist unklar, wer es war. Einer von seinen Enkeln – Janzen?

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