2. Kapitel

1. Kapitel, 3. Kapitel, 4. Kapitel, 5. Kapitel, Familienregister

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Eines Nachmittags kommt mein lieber Vater zu mir und als er weg geht und ich ihn begleite, fragt er mich wohin ich mein Auge gerichtet hätte und ich sagte ich wüßte nicht. Da machte er mir auf ein Mädchen aufmerksam, die ich eigentlich gar nicht kannte, nur hatte ich sie vor 7 Jahren einmal als junges Mädchen gesehen und gleich hieß es bei mir, das ist die Rechte, diese kommt dir vom Herrn zugeführt. Noch im Monat machte Regier bei der Jungfrau Margaretha Regier zu Tralau wo die Geschwister zusammen wirtschafteten für mich den Antrag. Ich bekam allseitige Zustimmung, so daß wir am 19. November Verlobung und Am 7. Dezember 1824 von unserem damals jungen Lehrer Jacob Klaashen, der auch hier in Rußland mein lieber Amtsbruder ist, in den Ehestand eingesegnet worden. Nun hatte der Herr mir wieder eine Lebensgefährtin zugeführt, die für mich nicht besser gesucht noch gewünscht werden konnte. Sie war ungemein fleißig und Nothleidend, dabei aber gastfrei und freundlich gegen Jedermann. 

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Dabei fühlte sie ihr freundliches Verderben und fand die Vergebung derselben im Blüte des für uns gestorbenen Heilands. Ihre Uebereilungen haben ihr manchen schweren Seufzer ausgepreßt. Auch ich habe mein liebes Weib mitunter manchmal wehgethan, was mich nacher drückte, was aber der Herr uns aus Gnade nicht zurechnen wolle. Glückliche Jahre habe ich mit ihr verlebt. Da ich noch immer tief in Schulden saß und meinem Schwager Johann Toews, der sich bald nacher meine Schwester Catarina heirathete sein Kapital auszahlen sollte, weil er auch seine Wirtschaft anfangen wollte. Er hat mich nie gemahnt, aber ich sah, wie nötig er sein Geld brauchte, so halfen mir die 1600 Taler die mir meine Margarethe mitbrachte etwas dazu, aber es langte doch lange nicht aus. Ich wußte nicht wie ich meinen Schwager auszahlen sollte, da bat mir Johann Sukau Geld an, indem er Zahlungen erhielt, die er nicht erwartet hatte. Ich führe dieses, meine liebe Kinder an, damit ihr sehet wie der liebe Herr im Himmel so väterlich für euren Vater gesorgt hat. Unsern Kinder, besonders die aus erster Ehe wuchsen heran, und die Schulen waren fast durchgängig so beschaffen, daß christliche Eltern 

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Gedenken trugen ihre Kinder den Lehrern anzuvertrauen, indem die Vernunftreligion an Stelle des Evangeliums gelehrt wurde. Dies brachte einen gewissen jungen Herr Corvenz aus Marienburg der zur Heubuder Gemeinde gehörte und der in England gewesen, auch die Brudergemeinde besucht hatte, mit noch einigen aus der Heubuder Gemeinde als die Lehrer David Epp und Abraham Suderman und noch einigen auf den Gedanken und zu dem Entschluß eine Schule für mennonitische Kinder, woran auch andere Theil nahmen, zu errichten, wozu ich mich auch entschloß. Die Erlaubniß hirzu 1827 bei der Regierung zu Danzig nachgefücht und ein Haus bei Rudlofferhafen bei Marienburg gepachtet und wir fanden an dem damals an der Stadtschule zu Graudenz angestellten Lehrer Friedrich Wilhelm Lange einen ausgezeichneten, talentvollen Lehrer, der diese Schule übernahm, der wegen seine ausgezeichneten Gaben und Fähigkeiten womit er die evangelischen Heilswahrheiten zu verbinden wußte, bald den allgemeinen Beifall fand. Auch ich gab meinen Sohn dorthin. Eine starke mündliche und Schriftliche Aeußerung unseres Lehrers über eine von ihm gehörte nationalistische Predigt, die von einem Lehrer aus einer anderen Gemeinde zu Heubuden gehalten worden, die die Worte der H. Schrift ganz für sich hatte, über nicht 

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in der rechten Art gethan wurde, war die Veranlassung daß die Schule zu Rudlofferhafen bei den mehrsten Mennoniten in solche Verachtung kam, daß sich Freunde unter einander entzweiten. Wer nun noch an der Schule theilnehmend blieb, oder sein Kind hingab, wurde so angesehen, als gäbe er das Mennonitenthum auf, besonders weil Lange lutherisch war. In dieser Zeit fingen die Missions=Anstalten in Deutschland immer mehr und mehr an aufzublühn, auch in Danzig war eine ins Leben getretten. Hier Theilhehmer an der Schule tratten auch zu diesem Zwecke zusammen, hielten Missionsstunden und jährliche Feste, was den Gegnern dieser Schule noch mehr erbitterte. Dadurch wurde ich immer mehr mit christlichen Predigern, denen das Evangelium Herzenssache war, bekannt, und lernte in ihrem Umgange manches kennen was für meinen armen Herzens ein reicher Gewinn war. Nie wurde ich sie vergessen. Was diese Schule anbetraff, so bestand sie bis zum Frühjahr 1837 also beinah 10 Jahren, da wurde uns das Haus durch Feinde dieser Schule, deren Namen wir nie erfahren haben, weggepachtet und einem armen Mann mit dem Versprechen der Verschwiegenheit ganz billig überlassen. Unter uns war nicht rechte Einigkeit, der Gründer dieser Schule Herr Corvenz war bald nach der Gründung zu seines Herrn Freude eingegangen. 

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David Epp einer der kräftigsten Mitwirker wollte daß der Lehrer erst ganz abtretten sollte, und dann wieder die Schule von Neuem anfangen. Ich schlug vor, eine Cirkulär an unsere Freunde und Gönner zu erlassen um Unterstützung zu bieten. Es kamen auch 700 Taler zu diesem Zweck zusammen. Wo aber jetzt bauen, wo jetzt kaufen? Zuletzt besprachen wir, in Broeske oder Broeskerfeld. Hier hatte mein lieber Schwager Johann Toews, der mein älterliches Grundstücked-space“> gekauft. Der gab gegen Vergütigung das Land zum Bau eines Schulhauses her, und so kamen wir zu unserem Hause, welche vielen jung und alt zum Segen gewesen ist. Am 24. Juni 1836 wurde dieselbe eingesegnet. Herr Boller wurde zum Lehrer angestellt dessen Arbeit und Gebet reichlich vom Herrn gesegnet worden. Noch denselben Herbst als die Schule zu Broeskerfelde ihr Bestehen hatte, tratten wir zu einem zweiten Missnins-Hülts-Verein zusammen, der sich an die Danziger Gesellschaft anschloß. Im Jahre 1831 den 15./3. starb mein lieber Vater und um seine erledigte Stelle wieder zu besetzen wurde gleich darauf den 15./4 Lehrerwahl gehalten und die Stimmen fielen mit Mehrzahl auf mich. Von der Zeit an habe ich in großer Schwachheit, nach dem Maaß der Gnade, das Evangelium des Herrn verkündigt.

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Mit dem Ausarbeiten oder dem Schreiben der Predigkeiten hat es verschieden gegangen. Oft habe ich mich fremder Arbeit bedient. Zum Freipredigen ohne Konzept habe ich nie eine Freudigkeit gehabt, ob gleich ich es herzlich wünschte, wenn der Herr mich dazu ausrüstete. Wenn der Sonntag heran kommt und ich noch nicht mit meiner Predigt fertig war, so wurde mein Herz zerknirscht und ich fiel in meiner Kamer vor dem Herrn nieder und betete mit Inbrunst, er hat mich auch alle Mal erhört, auch manchmal erst Sonntag des Morgens. In den späteren Jahren habe ich viele heftigen Kopfschmerzen und dabei Herzen schwäche gelitten, so daß ich, da ich einigen Vorrath von Predigten hatte, abwechselnd die Predigten brauchen mußte. Diese wischte denn endlich den Gedanken „Ein tüchtiger Lehrer der Gemeinde zu sein“, rein in mir weg. Habe aber auch die Erfahrung gemacht, das eine und dieselbe Predigt nach einem oder zwei Jahren mit Segen von einigen ist aufgenommen ist. Um diese Zeit fing sich auch der Kirchenbesuch an zu regeln, der früher mitunter sehr schwach war, so daß die 2 oder 3 Zuhörer oder Andacht nachhause gingen.
Seit mehreren Jahren hatte in unseren Gemeinden eine todte Orthodogin, sich geltend gemacht. Anderseits hatte man seit einiger Zeit hier 

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und da angefangen nationalistische Vorträge zu halten wozu z. B. Hermans Handbuch, deutschlands-kanzel Beredsamkeit und dergl. Werke mehr aus der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts und Anfangs dieses Jahrhunderts die Hand bot, diese Vorträge wurden von dem heran wachsenden Geschlecht mit Freuden gehört und gerühmt und es fing an das moderne Christentum Eingang zu finden. Ein Christentum ohne den für uns gekreuzigten Heiland, wie die Stunden der Andacht desselben mit ausgezeichneten Rednergaben darstellten. Indem ich nun in Folgen meines Amtes mit vielen Amtsbrüdern, ja beinah aus allen Gemeinden in Preußen bekannt wurde, habe ich mit denselben segensreiche Stunden verlebt und immer iniger schloß sich das Land der Liebe unter denen, die nichts wußten, als Jesus Christus den Gekreuzigten. Und ich fühle jetzt hier in Rußland sonst keinen Mangel noch Verlust als die herzliche bruderliche Unterhaltung mit Ihnen, über das Eine das noch thut.
Einmal hatte ich einen Traum, der Inhalt desselben war, daß nicht mein Hertz ohne die kleinsten Theile vollkommen sei. Ich sag nehmlich eine Mauer von größeren und kleineren Steinen, da bewunderte ich die kleinen Steine, da sprachen die, was bewunderst du uns, siehe doch die große Steine Und diese sprachen: „Ja wohl, aber ihr ohne euch könnte die Mauer nicht bestehen. 

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Das war zwar nur ein Traum, mir aber ein merkliches Noto Beno. Einige Tage vorher hatte ich auf meinen lieben Brüder in gewisser Beziehung mit Verachtung geblickt. Das Nehmliche beschreibt der Apostel in 1 Kor. im 12 Kapitel, aber es war mir nie so lebendig wie nach diesem Traum. Möchten doch alle Gläubige, alle die Glieder des Leibes Christi sein, mögen sie eine Uniform tragen und zu einer Religionspartei gehören, welche es sei, sich nicht lieblos richten oder gar verdammen! Können sie über minder wesentliche Glaubenspunkte noch nicht stimmen, so sei jeder seiner Ueberzeugung gewiß ohne lieblos den Andern zu verurtheilen!
Seit meinen Jünglingsjahren fühlte ich einen besonderen Zug nach Rußland, der mit den Jahren stärker wurde. Im Jahre 1804 zog meiner Mutter ihr Halbruder Johann Claashen nebst mehreren Anderen nach der Molotschna und seit der Zeit unterhielt ich lebhaften Briefwechsel und wurde seit der Zeit mit Rußland bekannt. Mein Trieb dorthin wurde immer stärker, so daß in den Jahren 1838-1839 und 40 beinah kein Tag, ja manchmal keine Stunde verging wo mich dieser Gedanke verließ, so daß ich oftmals den Herrn anflehte, er wolle mir diesen Gedanken abnehmen 

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oder wenn es sein Wille sei mir Weg und Bahn machen. Ich weiß mich zu erinnern daß ich einmal auf meinem Landn ging wo 10 schöne Kühe bis an das Eiter im Klee gingen und graseten, daneben lagen die Pferde tief im Klee, auf dem Felde neben an wagten die Aefren des prächtigesten Getreides zwischen diesen Feldern stand das Wasser in den Gräben wo das Vieh seine Tränke hatte, und da ich mich im Innere mit den Gedanken an Rußland beschäftigte, dachte ich mit einem mal: Was willst du doch, was fehlt dir? So findest du es nicht in Rußland, das wuste ich auch bist du jetzt fast aus allen Schulden. Johann Cornies von der Molotschna, dessen Andenken nicht so leicht vergessen sein wird, hat an die Aeltesten im Werder zu mehreren Mal geschrieben, wenn deputierte nach Rußland kämen und sich an das Ministerium wendeten, so würdn die Einwanderung aufs Neue eröffnet werden, darauf reiste ich nach allen Aeltesten im Werder und bat sie möchten mir doch behilflich sein und diese Sache anregen sie hatten zwar nichts dagegen, waren aber auch nicht so dafür, das etwas geschah. Später wendeten sich nach meiner Aufforderung etliche aus einigen Gemeinden mit Angabe ihres Vermögens an mich, das H. Cornies dies wissen wollte, dieses schrieb ich ihm 

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nebst einer Belage an das Ministerium, auch dies blieb stecken. Die rechte Zeit war noch nicht da.
Im Jahre 1847 erhielt ich die Nachricht Cornies sei gestorben, das dachte ich, wer wird sich jetzt wohl unserer Sache annehmen, aber ist es des Herrn Wille, so wird er auch Wege und Mittel wissen.
Das Jahr 1848 wird geschichtlich merkwürdig bleiben, machte auf`s neue bei einigen die Anregung nach Rußland zu ziehen, indem durch die neue Verfassung unsere Gemeinden gefärdet wurden, dennoch bliebe es beim Wunsch bis 1850 den 23. Mai, wo in Kosetizki bei Gerhard Penner jetzigen Aeltesten, die Aeltesten und Lehrer aus sämtlichen Gemeinden wegen anderen Gemeinde Angelegenheiten zusammen kamen, wo nebenbei auch über eine Deputation nach Russland gesprochen werden sollte. Als die Suche vorgestellt wurde, so wurde dieselbe zu einiger Verwunderung allgemein anerkannt, es fehlten mir die Männer die dorthin reisen sollten. Man meinte es müßten solche sein, daß wenn das Resultat ein erwünschtes würde, auch selbst hinzögen und da sich vorläufig keiner dazu entschließen wollte so würden ich und Claas Epp im Fürstenwerder hierzu bestimmt und für das 

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Reisegeld wollten die da Anwesenden sorgen. Uns beiden wurde die Sache ganz anheim gestellt auch wie und wohin wir uns mit unserem Gesuch wendeten und da wir zunächst nach dem Molotschna wollten, bekamen wir Empfehlungsbriefe dorthin an den Aeltesten Peter Froese im Namen sämmtlicher Gemeinden, welches an den Vorsitzer Ph. Wiebe, Schwiegersohn des verstorbenen Johann Cornies abzugeben war.
Meine liebe Frau, die niemals gegen Rußland war, aber wenn ich von dort sprach, immer sagte, es sei noch zu früh, sagte wie ich zu dieser Zusammenkunft reisen wollte: „Lieber Mann, gerne sähe ich, wenn es zum Reisen kommen sollte, daß ein Anderer sie übernehmen möchte, doch wenn sich kein Anderer findet, so reise in des Herrn Namen“. Wie ich nun mit dieser Nachricht nach Hause kam war sie ganz froh. Wie die Sache dort besprochen war sprach ich zur Versammlung: „Liebe Brüder! Soll unsere Sendung eine gesegnete sein und unser Gesuch einen gesegneten Fortgang haben so muß Gott der Herr seine Gnade und Segen geben und so bitte ich die Herrn, daß Sie diese Sache in ihrem Gebet dem Herrn verlegen wollen“, was sie auch versprachen. Bei Claas Epp dessen Charakter in mancher Beziehung von dem Meinigen ist, indem bei 

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ihm mehr der Verstand und ein fester Wille vorherrschend ist und er sich von einer gefaßten Idee nicht leicht abringen läßt, so daß ich manchmal um Geduld und Sanftmuth habe bitten müssen, dessen einziger Beweggrund war nach Rußland einzuwandern, daß in baldiger Zukunft im westlichen Europa ein Sturm losbrechen werde der die Mennoniten zwingen werde, entweder daran Theil zu nehmen oder mit einem kleinem Päckchen davon zu gehen. Ich hingegen legte mir manchmal die Frage vor, daß wenn der König uns in betreft unserer Religionsfreiheit uns noch 100 Jahre frei zu bleiben versichern könnte zu dem blieben die ländlichen und ökonomischen Verhältnisse gerade so wie wir es wünschten, so wäre eine Auswanderung sehr erwünscht denn der Raum zur Ausbreitung war zu beschränkt was halt viele junge Leute nicht heirathen konnten, es nicht das 48. Jahr auch noch etwas zu meinem Entschlusse beigetragen haben mag, will ich nicht wiedersprächen. Überhaupt fühlte ich wie gesagt einen Trieb nach Rußland, denn ich mir nicht erklären konnte. Nun reiste ich und Claas Epp aufs Landrats-Amt nach Marienburg und nahmen uns Reisepässe, worauf der Zweck unserer Reise ausgedrückt war. 

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Tags darauf gings nach Danzig und als wir unsere Pässe Seine Exelenz, dem Herrn General Conkel vorzeigten und ihm um Genehmigung unserer Reise baten, sagte er ganz kurz nein dazu, mit dem Bemerken daß in Rußland kein Land mehr sei für Mennoniten und daß es überhaupt keine Reisegäste dorthin gebe, es sei denn daß man nachweisen köne man habe dort Erbschaft oder sonst wichtige Handelsgeschäfte abzumachen. Nun war diese Angelegenheit, dem Anschein nach, wie abgeschnitten. Epp sagte zu mir nun wolle er sich eine Droschke nehmen um nach St. Albrecht zu fahren, seinen Schulkamerad zu besuchen und denn wollten wir zu Hause fahren. Ich sagte ich würde mir den Kolkulator Rindfleisch aufsuchen, mit dem ich dem Missionsfeste bekannt geworden war, durch den die Riesensche Familie ihre Reisepässe nach Rußland erhalten hatte. Der war sehr freundlich und frug, was mich zu ihm führe. Ich zeigte ihm die Pässe und sagte ihm wie es uns ginge. Warum sind sie nicht erst zu mir gekommen, sagte er. Kommen sie um 4 Uhr da und dorthin, da werde ich mit einem Herrn gesprochen haben und ihnen Bescheid geben. Als wir uns an dem bestimmten Platze traften, sagte er, diese Pässe müssen sie verwerfen 

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und andere nehmen, worin Sie blos sagen, sie wollen an der Molotschna Freunde besuchen, die sie mit Namen nennen müssen. Und dies war auch wirklich der Fall. Dann müssten sie sich noch einen Schein geben lassen, daß sie an keine Politische Verbindung x. x. Antheil genommen haben und dies bringen sie mir. Nun gings am anderen Morgen wieder nach Marienburg wo wir alles erhielten und Tags darauf wieder nach Danzig und durch sonderbare Vermittlung erhielten wir die Pässe unterschrieben, und so stand unserer Reise weiter kein Hinderniß im Wege. Nun hätten wir gerne geeilt, aber es kamen Hindernisse in den Weg, denn der Reisewagen war noch nicht fertig, wir wollten mit Extragast fahren und hierzu müßte er gut sein. Erst am 25 Juni erschien der Tag unserer Abreise. Um 6 Uhr nahm ich von den lieben Meinen Abschied. Das letzte Gotteswort was wir zusammen lasen war: „Wirf dein Anliegen auf den Herrn, der wird dich versorgen“. Meine Reisegefährten Claas Epp und der junge Martin Klasshen unser jetziger Schullehrer, der uns als Gehilfe mitgelassen wurde, 

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kamen vorgefahren, meine liebe Frau begleitete mich bis Marienburg wohin uns mein Sohn Kornelius brachte. Auf Koluwe waren wir bei D. Rempels an und traffen dort auf seiner Durchreise den Missianar Gützlaf dessen Bildniß ich besitze, speisten mit ihm Frühstück, zwischen 10-11 Uhr predigte derselbe in der Georgen-Kirche über Joh. 3, 1.-15 über die Wiedergeburt und sagte was dazu gehöre und ging dann zu seinem Chinesen über und sagte wie notwendig dort Arbeiter sind. Nach der Predigt stand der Wagen mit Postpferden vor der Kirche, viele lieben Freunde und Brüder waren auch aus unserer Gegend um diesen merkwürdigen Mann zu hören, wir nahmen Abschied, ich von meiner lieben theuren Margaretha und Cornelius und nun ging s unter vielen Segenswunsch weiter über Stum, Marienwerder und zu Greudenz zur Nacht. Am andern Tage trafen wir in der Grenzstadt Gallog ein und wie erstaunten wir, als wir die Riesensche Familie hier traffen. Die Zusammenkunft war uns von beiden Seiten sehr angenehm. Damals war es sehr schwierig über die Grenze zu kommen und beschriebenes Papier und Bücher durften nicht über, so ließen wir unsere Bücher in Verwahrung bei dem H. Bürgermeister. Nun gings in angenehmer Reisegesellschaft weiter und beinah täglich wurde berechnet wann wir nach der Molotschna kommen würden. 

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Aber alle unsere Berechnungen schlugen fehl, da bald dieser bald jener Wagen gereparirt worden mußte, an unserem Wagen brach zwei mal die Achse. Wir hatten vergessen zu sagen: „So Gott will und wir leben.“
Am 17. Juli kamen wir in Ekaterinoslaw an und kehrten bei Tieshen ein, der uns freundschaftlich aufnahm. Den 20. kamen wir in Chortiz an, wo wir bei dem alten Ehrw. Aeltest. Jacob Dük auffuhren. Neben ihm wohnte in der Gebiets=Schule der Schullehrer Hein. Frans einer der ersten Schüler aus unserer gewesenen Schule aus Rudlofferhafen. Am 22. fuhren wir zum Kirchhoff und ich fand meiner Frau ihres Großvaters Grab und las auf dessen steinernes Denkmal welches die Gemeinde vor kurzen setzen lassen, folgendes: „ Hier ruhen die Gebeine des ehrwürdigen Aeltesten Cornelius Regier. Er wurde im Jahre 1746 zu Heubuden geboren in Westpreußen. Im Jahre 1794 in Gemeinde Angelegenheiten zu seinen Glaubensbrüdern in Südrußland berufen und entschlief am 16. Juni desselben Jahres Hiob 19, 25-27. Auf der Rückseite steht: 

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Gott hat dich aus dem Streit
Und Unruh weggenommen
Und in sein Freudenreich
Nach Herzenswunsch versetzt.
Du bist nun aller Noth
Recht seliglich entkommen
Die unsern armen Geist
Oft unvermerkt verletzt.
Du hast dein Tagewerk
In wahrer Treu vollendet
Daß dir nach Gottes Rath
Hier anbefohlen war
Drum wurdst der ehmans dacht
Nach Tabor hingesendet
Wo die Gott ewig schaut
Mit der verklärten Schaar.

Einige Empfindungen durchdrangen meine Seele auf dieser Stätte. Von hier zurück hielten wir bei einem Hause an, wo das Privilegium für die Mennoniten von Seiner Kaiserlichen Majestät dem Kaiser Paul in einem feuerfesten Gewölbe aufbewahrt liegt, welches wir besahen. Am 24. gings wieder weiter pro Post nach der Molotschna und am 26 Juli trafen wir in Orloff ein. Der Vorsitzer des Vereins Herr Philip Wiebe nahm uns gastfreundlich auf. Da mein Vetter Johann Klaashen dicht neben ihm wohnt, den ich seit 1804 nicht gesehen hatte, so nahm ich mein Quatier bei ihm. Die Einzelheiten übergehe ich hier und bemerke nur, 

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daß es sich nun herausstellte, warum es der Herr so gelenkt hatte, daß wir nicht früher hier ankamen, denn wäre dies geschehen, so wären wir mit dem Vorsitzer nach Odessa zum dortigen Herrn Dirigirenden Baron v. Rushen wegen unser Gesuch gerichtet , nun aber war die Nachricht, daß derselbe um 14 Tagen in Ekaterinoslaw eintretten würde, wo wir ihn sprechen könnten und so benutzten wir die Zeit Freunde zu besuchen, aber ehe diese Zeit verstrichen war, schickte Seine Exielenz der wirkliche Herr Stadtsrath und Ritter v. Koeppen der von Petersburg in der alten Kolonie eingetroffen war, Nachricht an den Vorsitzenden er habe gehört, daß preußische mennonitische Deputirten angekommen wären, die Land zu haben wünschten, und er sollte uns doch nicht weiter reisen lassen. Nun sagten erfahrene Männer zu uns, nun ist unsere Sache gemacht. Das ist der Mann der euch helfen kann und wird. Am 6. August gegen Abend kamen Seine Exielenz Tascharok bei Johann Cornies, Sohn das bereits 1847 verstorbenen, wo wir eben zu Besuch waren, an. Nachdem er mit dem Vorsitzer 

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und Cornies Thee getrunken hatten gingen die andere hinaus und Epp ich bei ihm hinein kammen und nachdem wir gegrüßt und er uns mit freundlichem Wohlwollen empfangen hatte, mußten wir uns bei ihm aufs Sopha setzen und nun frug er uns nach unserem Begehr. Zuerst ging unser Wunsch dahin, daß da wir gehört hatten es sei in der Krim das Gut Ts-choti zu verkaufen, ob wir dazu die Erlaubniß erwirkten könnten? Darauf sagte er unter anderem: „Meine Herrn! Wenn ihr Gesuch nun in Rußland einwandern zu dürfen, gewährt wird und so haben sie es rein als eine Gnade anzusehen, denn im vorigen Jahre baten 200 Familien aus Wüttenberg einwandern zu dürfen und das Ministerium sagte mit kurzen Worten: „Nein! Russland will keine Einwanderer mehr.“ Reisen sie aber nach der Krim, besehen sie das Gut und sprechen sie mit dem dort wohnden deutschen, und prüfen sie alles genau damit sie sich nicht nacher geteuscht finden, denn es ist keine Kleinigkeit sein Vaterland zu verlassen. Dort finden sie in einer Kolonie den alten Oberschulzen Günter der habe in ländlicher Beziehung die Inspecktion über das Gut und der Herr Doktor Betling in Simpferopol habe die Inspecktion über das Gut überhaupt. Ich will ihnen in allem dienen, und wenn ich einen Mann wissen sollte, 

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der mehr für sie thun kann als ich, so werde ich ihnen denselben zeigen. Kommen sie denn bis zum 8. September neuer Styl nach Simpferopol, dann denke ich auch dort einzutreffen und dann wollen wir die Sache weiter besprechen.“ Bei dieser Unterredung vergaß man ganz, daß man mit solcher hohen Standesperson sprach. Nacher bei heraus und herum gehen, wurde noch manches gefragt. Er lud uns, wenn wir nach der Krim kämen, auf sein Gut, welches an der Südküste lag, da sollten wir tüchtig Weintrauben essen. Am 11. August ging ich zur Nacht zu meinem Schwager, den von der Behörde abgesetzten Aeltesten Jacob Warkentin, welcher meine älteste Nichte zur Frau hat. Da bekam ich von den Streitigkeiten, welche in dortiger Gemeinde gewesen waren und noch nicht beigelegt waren zu hören und zu lesen. Am 18. August traff Claas Epp bei D. Cornis den Herrn Collegien Rath Bode aus Petersburg, der hat ihn gerathen wir sollten nicht in dem dahiesigen trockenen Klima suchen sondern an der Wolga, dort sei noch sehr viel Land. Das gab den ersten Gedanken nach der Wolga, der aber damals wie auch später bei Seite 

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geschoben wurde, ich aber konnte ihn von der Zeit an, nicht mehr recht los werden. Mit dem war die Zeit heran gekommen wo wir nach der Krim kommen sollten und so fuhren wir drei mit einem angenommenen Fuhrmann und unserem Wagen den 26 August dorthin ab. Zum 27. August alten Styls sollten wir dort sein. Wir fanden in Zürigthal den alten Oberschulzen Günter und furen von dort nachdem 30 Werst entfernt liegenden Gute Ts-chotti wo wir zwei Nacht blieben. Hier zeigte mir der Oberschulz in dem auf dem Tisch liegenden Gesangbuche das Lied: Ach was sind wir ohne Jesu x.x. mit dem Bemerken, das ist ein schönes Lied, und wir waren als die Unbekannten und noch bekannt. Das Gut wurde nach allen Richtungen besucht und erforscht. Es entläst 7887 Dessjatin wovon 300 bewässert und noch so viel bewässert werden können. Die Karasu fließt durch dasselbe reißend durch. Nun gings über Karasubasar nach Simpferopol um beim Herrn Bakarius im goldnen Aker Quatier zu nehmen, hier erwarteten wir Seine Exelenz. Am 4. September machten wir die Exelenzen und Staatsräthe von Stewer und Muhlhausen, welche an der Selgier wohnen und wir auch von Vater Koeppen empfohlen warden, unsere Aufwartung, welche uns sehr freundlich aufnahmen und wünschte, wir möchten Ts`chotti kaufen. 

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Den 8. September waren wir in der Kirche. Das erste Lied: Lobet den Herrn, den mächtigen König der Ehren x. durchdrang mich mit Lob und Dank vor dem Herrn, zu Tränen. Der Pastor Kylius predigte über Luc. 19, 42-48. Abends besuchte derselbe uns in unserem Quatier. Endlich am 10. September n. Styl kam Seine Exelenz und entschuldigte sich seines langen Ausbleibens. Wir mußten ihm unsern Gesuch, wie es verabredet war, schriftlich überreichen und er versprach alles für uns zu thun, was möglich war. Er gab uns ein Schreiben an seinen Gärtner mit, an der Südküste lag sein Gut, und wünschte daß wir dort seinen Weinberg besuchen und tüchtig Weintrauben essen sollten, was nun auch geschah. Den elften Sept. 6 1⁄2 Uhr fuhren wir ab, um 12 waren wir auf dem Höhepunkt und nun ging es 2 1⁄2 Stunden so bergab, daß nur wenige Minuten der Hemmschuh abgenommen wurden konnte. Am 13. aßen wir die uns so freundlich angebotenen Weintrauben und am 14. zur Nacht blieben wir bei Herrn Günter und nun gings weiter nach Simpferopol wo wir unsere Pässe nahmen und von dort nach der Molotschna. Hier machten wir noch einige Besuche und dann fuhren wir ab am 30 September von Halbstadt hielten in Chortiz an und erreichten am 5. November mit eigenen Pferden, die wir gekauft hatten, die Grenze. Wie wir in das Gasthaus in Galopp eintraten, so hörten wir gleich wieder das degutiren über Politik. 

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Am 9. November kamen wir zu meinem lieber Schwager David Epp und am 10. November es war Sonntag gegen Mittag tratt ich unbemerkt in die Stube, indem ich zu Fuß von hinten ins Haus trat, wo meine liebe-liebe Frau am Tisch saß und las. – Das war ein Willkommen. – Noch beßer aber wird es einst dort oben sein, wo keine Trennung mehr ist. Jetzt im Januar 1857. Denn so lange hat dieses unvollendet gelegen, jetzt da ich meine theuere Margaretha längst begraben habe und sie genießt, was sie hier geglaubt hat, jetzt erinnere ich mich recht lebhaft jenes Willkommen. Sie hing an meinem und ich an ihrem Halse und meine liebe Kinder eins nach dem anderen ebenfalls. Wir dankten dem Herrn für alle seine gnädigen Bewahrung und Führung, wie er so sicher bis her geleitet und alles, alles so wohl gemacht hat. Ihm sei Lob und Dank in Ewigkeit! Nun gings wieder zuhause nach gewohnter Ordnung. Die weitere Verhandlungen wegen unserer Einwanderung nach Rußland gingen nun weiter schriftlich. Dabei wurde uns vom Ministerium durch Vater Koeppen, wie wir ihn gerne nennen, auf drei Stellen Land angeboten. Im Wittebskischen, Samarschen und Orenbuschen Guvernement und wir entschieden uns für das Samarsche. Vater Koeppen wünschte wir sollten nach Petersburg kommen, dann könne in der Kürze abgemacht werden, was jetzt lange Zeit erforderte und so entschlossen wir uns zum Herbst 1851 dorthin zu reisen. Wir hatten auch bereits die Pässe, als meine Frau bedeutend krank wurde. 

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Der Herr wollte es nicht, daß ich reisen sollte. Nun suchte ich in meiner Stelle einen Gesellschafter für Claas Epp und nach mehrerem Suchen fand ich den jungen Isaak Klaashen vom Gr. Lichtenau. Diese reisten noch den Herbst pr. Post dorthin, machten dort alles ab und brachten die Bedingungen mit, daß wir uns im Samarschen Geuvernement in den beiden Kreisen Nikolaewschen und Novousenschen könnten Kronsland aussuchen und falls uns solches nicht gefallen sollte, so könnten wir Privat Ländereien ankaufen. Dies wurde in der Gemeinde bekannt gemacht, daß jeder Mennonit wenn er 350 Thaler im russischen Consulate in Danzig einzahlte, aus und einwandern konnte.
Anfangs waren es wenige, Claas Epp, ich und mein Vetter Franz Wall machten bekannt, daß wir unsere Wirtschaft verkaufen wollen. Auch M. Hamm in Orloff. Zu uns gesellten sich einige aus dem Klein Werder. Am 26. Januar schlugen wir unserem Käufer P. Dük unser Grundstück zu und erhielten dafür 13,700 Thaler und das Inventarium würde später verkauft. Nicht daß meine liebe Frau mit einstimmte, sondern es war ihr freier Wille und Antrieb. Nun wurde gerüstet und später von so vielen lieben Freundn und Verwandtn in dem Herrn und in der Liebe verbunden, Abschied genommen, bis auf die Zeit, wo wir uns vor dem Throne des Lammes, welches uns mit seinem theuren Blut erlöset hat, wieder zusammen finden werden. Claas Epp wollte mit Hamms und wir mit Franz Wall zusammen reisen, 

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damit nicht zu Viele wagen dem Futterankauf zusammen wären. Als endlich der Tag, der 29. Juli erschien und alles zur Abreise fertig war, so war des Morgens mein erstes, daß ich das kleine Büchlein, die „Dreifältige Schnur“ zur Hand nehme, da suche ich die für diesen Tag bestimmten Sprüche auf und lese: Sei getrost und unverjagt, und mache es; fürchte dich nicht und sage nicht, Gott der Herr, mein Gott, wird mit dir sein und wird die Hand nicht abziehen, noch dich verlassen bis die alle Werte zum Amt im Hause des Herrn vollendest. 1. Chronik. 29,20.
Ich will einhergehen in der Kraft des Herrn und will mich deiner Gerechtigkeit allein erinnern. Ps. 71, 16. Liebe Brüder freut euch in dem Herrn Phil 3.1.
Was ich bei dem Lesen dieser Sprüche empfunden habe, weiß allein der Herr. Ich sank vor ihm hin und bat ihn, er wolle mit seiner Gnade mit uns sein und uns leiten und führen. Um 1. Uhr wurde angespannt. Ich rief alle die Meinigen in die Stube. Dankte öffentlich und laut dem Herrn für alle die in diesem Hause genoßene Freude und Wohlthaten wie auch für die Tränen und Leiden, die so heilsam an meinem Herzen gewesen waren. Wir flehten für seinen ferneren Segen für die neuen Bewohner auch für uns auf der Reise. Nachdem wir Abschied genommen hatten, fuhren wir fort und kamen zur Nacht nach Koselizki, wo wir bei dem lieben Aeltesten Gerhard Penner Nacht blieben und wo sich noch viele Freunde wieder einfanden. Am 30. Juli früh morgens kam mein lieber Sohn Johann dorthin, der in Mirauerwald wohnt, mit seiner Frau. Diese wie noch einige begleitten 

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uns bis Marienburg wo auch diese Trennung unter vielen Tränen gemacht wurde und ob es uns wohl schwer fiel diese Lieben zu verlassen, so fühlten wir, ich und meine liebe Frau doch recht wohl. Im Gradanzschen hielten wir uns noch ein paar Tage auf und nahmen dort von den lieben Brüdern und Geschwistern Abschied. Am 5. August ging es über die Grenze. Bereits 4 Wochen vor unserer Abreise starb, was ich hier vergessen habe zu sagen unsere liebe Tochter Margarethe in der besten Blüthe, den 15. Juni. Dieses hoffnungsvolle Mädchen hätten wir gern gehalten, aber der Herr, an den sie glaubte, den sie liebte, hatte eine bessere Reise ausersehn. Nun ging unsere Reise gut vonstatten und da Franz Wall trotz unserer Verabredung vorausgeeilt war, so waren wir mit unseren 3 Wagen allein. Meine liebe Frau befand sich recht wohl, beim starken Schrittfahren, stieg sie ohne still zu halten aus und in den Wagen. Ging bedeutende Strecken zu Fuß, pflückte mit den Mädchen Waldblumen, half auf den Ruheplätzen schnell das Essen verfertigen. In den Städten kaufte sie sich einige Mal Kirschen, wovon sie eine große Liebhaberin war. Am 8. Waren wir in Drobin wo wir, da es Sonntag war, ruheten. Hier schrieb ich und sie nach Preußen. Hier wurde uns ein Pferd lahm. Am 11. A. spürte meine Frau Durchfall, der zur rothen Ruhr überging, wurde immer stärker. Den 14. wollten wir gerne nach Lublin, 

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kommen aber nur nach Kurhoff, einem Städchen von 3 1⁄2 tausend Einwohner mehrenthlich Juden. Wir fuhren im Hotel d. Warschau auf, wo es nach polnischer Art noch ein ziemliches Quatier gab. Da sagte meine Frau: „Sieh, lieber Mann, wie der Herr für uns sorgt.“ Ich suchte einen Artzt, der kam bald, aber sprach Polnisch. Er verordnete Medizin und Klystier von Kraftmehl. Der Artzt schickte ich einen jungen Chirurigus. Gern wären wir in Lublin gewesen, wo ich einen deutschen Artzt, Königsberger von Geburt, kannte, denn hier in Kurhoff war zudem noch die Cholera, aber unsere Wagen sind nicht Gottes Wagen und seine Gedanken nicht die unsern. Mir wurde sehr bange. Es kostete mir viel Tränen und Flehen. Kein Sternlein des Trostes wollte mir scheinen. Ich ermahnte mit Kinder zum Beten. Ich bat den Herrn er möchte mit dieser feiner Züchtigung das den heilsamen Zweck an mir und meinen Kindern erreichen, weshalb er diese Leiden über uns kommen ließ. Aus tiefer Gebrüest bat ich um Erhaltung des Lebens meiner heißgeliebten Frau, konnte aber, obgleich ich diese Wahrheit anerkannte, nicht hienzu setzen: „Herr, dein Wille geschehe! Ich zog aus meinen Ziehkästchen, welches mir mein unvergeßlich lieber Schwager Johann Toews zum Andenken schenkte, ein Blättchen heraus und las: Wir wandeln im Hauben und nicht im Schaune. 2. Körinther 5, 7 und, Gutes darf man wohl begehren, man muß sich aber nicht drum stören, wenn es nicht kommt, so wie man will, die Eigen lieben heftig treibet. 

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Die lautre Liebe ruhig bleibet und ist stets aufnn Leiden still.“ Ich fiel tief diese Wahrheit und bat von Herzen um Ergebung in seinen Willen. Am 16. schien es mit meiner liebe Frau etwas besser und da wir gerne weiter wollten und unser Wagen sehr bequem eingerichtet war, so fuhren wir weiter und kamen am 6 nach Lubin, wo wir in den großen Gasthof bei Skibilski auf. Nun betrachte ich den Herrn Militär Arzt Schlegel, der mir schon von früher bekannt war, aber alles war vergeblich um 10 1⁄2 Uhr abends nahm der Herr sein theures Schäflein zu sich. Nun hatten sie uns ausgekämpft und gerungen und ich stand mit meinen 7 Kindern, die um mich waren, allein, als Wittwer im fremden Lande. Viele Theilnahme wurde uns erzeugt. Ich ging zum Hr. Pastor und bat ihn, ob wir die Leiche in die Kirche stellen dürften und als dieser darüber mit dem Hr. Doktor gesprochen hatte, erlaubte er es. Durch Hilfe des Freulein Oger, Epps Tochter und meinen Kindern in einer Wagenvenisse angezogen war, so konnten wir selbige in die Kirche vor den Altar stellen. Auf der rothen decke des Altars waren die Worte mit Gold gestickt: „Gott war ein Christ und versöhnte die Welt mit sich selber.“ Wehmuth, innere Ruhe und Anbetung ergriff mich, als ich diese Worte, vor meiner Frau standen, las. Das Grab war bestellt. Am 21. Schickte ich meinen Kutscher Abraham Albrecht 

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mit 2 Pferden nach dem Leichenwagen und da wurden, ohne daß ich gewünscht hatte, Wagen und Pferde mit schwarzen Decken behangen, selbst der Fuhrman hatte einen schwarzen Mantel. Wir gingen in die Kirche, der Pastor trat ohne aufgefordert vor den Altar, hielt ein Gebet und las das 15. Kap. Im 1. Korinth. Nun gings langsam nach dem Kirchhof, der seitwärts von der Stadt liegt. Der Pastor sprach am Sarge über die Worte: Selig sind, die in dem Herrn sterben. Er verglich das Leben mit einer Reise nahm Bezug auf unsere Reise, ermahnte uns zur Wachsamkeit und zum Gebet tröstete mich und meine Kinder, warf dreimal etwas Erde auf den Sarg mit den Worten: du bist Erde und sollst wieder zur Erde werden. Dort ruht meine Margaritha mit der ich beinah noch 28 Jahre so glücklich verlebt hatte, unter Linden, Akazien, Ahorn und Hirschkolben und ihr prächtige Grabmäler und zu ihren Füßen die Frau Sophie, Wihlem Lange, eines hier gewesenen Missionars. Der Kirchhof ist mit einer massiven Mauer umgeben. Ich bestellte mit Fr. Oger ihrer Mithilfe einen einfachen Leichenstein mit der Inschrift: 

Hier ruht Margarethe Wall geborene Regier geboren 1799 den 9. April 1852 den 19 August auf der Reise von Schönsee bei Tiegenhof in Westpreußen nach der Molotschna.
1. Timoth. 15, 16. 

Dieses Denkmal ist vom Herrn Professor Wagner wie er mir später schrieb und nachher durch reisende es gesehen haben, bestellt worden. 

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