Diese zwei Briefe haben Herbert L. Penner (02.03.1899 – 14.09.1937), #1196381 und seine Frau Auguste, geb. Isaak (12.03.1901 – 03.11.1932), #1196389 an Herbert’s Bruder Johannes L. Penner in die Verbannung im Gebiet Arkhangelsk geschrieben. Vermutlich hatte er sie weiter nach Kanada an Johannes Dyck geschickt. Ich habe die Briefe von handschriftlichen Originalen abgeschrieben und Fussnoten hinzugefügt. Leider konnte ich einige Wörter nicht entziffern und das Datum von zweitem Brief war nicht ganz gut zu lesen. Könnte sein, das es nicht korrekt ist. A.W.
Drusag[1] den 16/V 1932
[1] Lieber Johannes, Lenchen u. Kinder!
Also 2 Jahre sind bereits rum das
wir uns das letzte mal sahen, um
diese Zeit war es ja wo ich dort
bei Euch war. Einen Tag nach
Deinem Geburtstag l. Lenchen
fuhr ich weg. Und jetzt ist Dein
Geburtstag wieder vor der Tür.
Gratuliere herzlich u. wünsche Dir
Gottes Beistand u. Segen u. Kraft
auf Eurem öden Pilgerwege
weiter zu wandern, bis auch Euch
mal die Befreiungsstunde schlagen
wird. Wenn man Geburtstagsbriefe
bekommt oder auch schreibt dann
heißt es nur, wollen hoffen, das
wir uns das nächste Jahr wieder
[2] sehen, bis jetzt ist es noch immer ein
frommer Wunsch gebliben. Gebe Gott
das es doch endlich mal werden
möchte, wenn es einem auch manchmal
trostlos scheint. Ich denk
manchmal in Stillen ob Ihr auf
garkeine Art Euch dort mal
wegkönntet schaffen, hier würden
wir Euch gleich alle unterschaffen.
– Der Direktor ist aus Deutschl.
auch wieder angekommen, sind noch
mehre mitgekommen Techniker
Praktikanten. – R. K. aus
Armawir war auch wieder mal
hier, wollte gerne spazieren
fahren nach Ив. Ив. Дик[2]. Waren
auch sehr entgegenkommend, aber
der Schluß ist doch bleibe im
Lande u. nähre dich redlich (?), ist
nix zu machen nur in Ausnahmefällen.
[3] Von Artur die letzte Nachricht das
____________________, dem Kerl
will es auch mal garnicht glücken.
Von Mutter u. Meta die letzte Nachricht
das sie ja alle wieder Etwas
munter waren. Wenn ich ____ Mutter
hier hätte, Sie wird ja aber wohl
bei Meta bleiben, werde Ja sehen
hin u. wieder was hinzuschicken
Uns geht es hier immer ganz gut.
War letzt auf командировка <russisch = Dienstreise>
gefahren, war doch wenigstens mal
eine Abwechslung. Die Züge nur
sehr überfüllt. Die Leute wissen
bald selbst nicht mehr wo sie
eigentlich hin wollen. – Witterung
ist gut sehr viel Regen. Die
Frucht wechst zusehends, etliche
Roggenfelder schossen schon.
[4] Den Weizen hat die Konzession reichlich
dicht im Herbst gesäht. Wenn es sollte
große Hitze geben ist er dran.
Wie geht es Euch den immer, wir
bekommen so sperlich Nachricht von Euch.
Wir haben uns jetzt ein Ferkel
gekauft, war 16 Tage alt für 75 Rubel,
ein schöner Preis, wollte auch ____
_____ran, aber die Milch haben wir,
auch anderas Futter kann ich hier beischaffen
Fleisch u. Fettgehalt (?) sind
hier jetzt sehr teuer, wenn es nur
gesund möchte bleiben. Schaffen uns
so sachtig ein kleines Bauereichen (?)
wieder an, wenn man nur bischen mehr
Lust hätte, man ist immer so mutlos.
Und was können wir nich dankbar
genug sein das wir hier so ruhig
leben. Nun genug für dieses Mal.
Grüßt sehr Eure Kinder auch le
Epps alle, und schreibt hin und wieder
mal. Behüt Euch Gott, Euer Herbert
[1] Von 1924 bis 1933 befand sich in der Nähe der Stadt Kropotkin in der Region Kuban die Landwirtschaftliche Versuchsfläche der Deutsch-Russischen Saatbau AG (DRUSAG). https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsch-Russische_Saatbau_AG. In seinen Erinnerungen schreibt Ernst Art. Penner, dass die Familie seines Onkels Herbert Penner auf der Siedlung Nr. 2 (von insgesamt 6 auf der ganzen Konzession) wohnte.
[2] Johannes Joh. Dyck (16.04.1885 – 11.04.1948), GRANDMA #168774
Drusag den 15/7 1932
[1] Liebe Geschwister!
Zuerst liebe Lenchen[1] gratuliere herzlich
zu Deinem Geburtstage, und wünsche Dir Gottes
Segen zum neuen Jahre. Ach wenn wir
doch nächste Jahr doch zusammen feiern könnten.
Haben von Euch schon sehr lange keine
Nachricht, die letzte vom 16. März. Ist uns
schon zu doll, das Ihr so wenig schreibt.
Herbert[2] u. Kinder sind alle schön munter. Ich
bin nicht sehr gesund (immer fiebrid). Will
jetzt mal mit Peter Braun sprechen. Er ist
auch Arzt gewesen, arbeitet jetzt auch auf
der Konzession. Er soll noch gute Arzneien haben
(Homapatie). – Heute ist Pfingsten,
ach wie traurig ist das alles gegen früher,
keine Kirche oder Andacht. – Wir sangen
erst ein paar Lieder, dan las Herbert die
Pfingstandacht vor. – Wir hatten uns eigentlich
vorgenommen, wir und die Mennonitenfamilien
aus dem Dorfe, wollten heute alle in den
[2] Wald gehen, aber das Menschen Vornehmen
ist eitel, hat gestern abend tüchtig geregnet,
so daß heute alles tüchtig naß ist.- Den
Mai waren wir alle in den Wald gegangenhatten uns Essen mitgenommen, und waren
alle ganz vergnügt. – In unserem Garten war
alles schön aufgegangen, ist aber wieder
viel verschwunden, hauptsächlich Kuckurus (?) fehlt
viel, habe schon wieder nachgesteckt. Ich
habe auch 100 Krautpflanzen gesetzt u. 50 Pomedoren(?)
muß jetzt immer tüchtig gießen, das Wasser
ist ganz dicht bei, gleich neben dem Garten.
Zwiebel sind auch fast alle vom Wurm
abgestochen, Mohrüben u. Salat stehen sehr schön,
Kartoffel einigermaßen. Salat können wir
um paar Tage essen. Bohnen, Gurken u. Melohnen
stehen schön. Kübis <Kürbis?> fehlen auch ziehmlich
aber die wo noch sind, sind auch schön, habe
auch noch nachgesteckt.- Habt Ihr Euch
dort auch ein Garten gemacht? – Herbert wird
Donnerstag auf командировка <russisch = Dienstreise> geschickt
[3] nach Георгиевск <russisch – Georgiewsk>, hinter Минеральные Воды <russisch – Mineralnye Wody. Städte im Gebiet Stawropol, Russland>
musste Geld dort hin bringen. 35 Tausend Rubel.
Gestern abend kam er zurück, die Reise
hat ganz gut gegangen, nur die Züge sehr
voll, fast nicht möglich umzusteigen. –
Mir war ganz bange, weil er alleine mit so
viel Geld fuhr, aber es hat ja Gott sei Dank
alles gut gegangen. – Wollen jetzt Mittag
essen, habe heute Reisbrei gekocht. Bekommen
etwas Reis rausgeschrieben, jeder bekommt das
nicht, habe auch erst einmal gekocht, habe
den Reis was wir raus bekommen, an Schw.
Mutter[3] geschickt. Sie kann die Kost dort schlecht
vertragen. Mutter tut mir sehr leid, hatte immer
so einen schwachen Magen, u. jetzt essen
Sie nur Erbsen und Bohnen, haben schon
zwei mal Посылка <russisch = Postpacket> an sie geschickt, aber
das ist doch nur immer wenig. Lili[4] hat das
Посылка von uns auch erhalten, kam gerade
zur rechten Zeit, eine Woche ehe Sie nach Joh.
fuhr. – Wir müssten Artur[5] jetzt unbedingt
[4] mal Geld hin schicken. Ihnen geht es auch sehr
knapp, Artur ist wieder Stellenlos. – Bin nur froh
das es meiner Mama[6] bei Milusch[7] ganz
gut geht, das Sie nicht Not leiden brauch. –
Den 16ten. Herbert ist heute wieder auf Arbeit,
die Konzessie hat nicht viel Feiertage, muß immer
tüchtig geschafft werden, viel mussten sogar
Gestern schon arbeiten. – Nun Ihr Lieben
wie geht es den Euch? Habt immer
viel Arbeit? – Wenn wir uns jetzt mal plötzlich
sehen würden, würden wir vielleicht im ersten
Augenblick unsere Kinder nicht gleich wieder erkennen
werden sich doch gewiß alle sehr verwachsen
haben. Kennt Viktor[8] unsere Jungens noch? Harry
weiß noch von alle etwas, Otto u. Walter[9]
wissen nichts mehr, u. Onkel Friedrich u. Tante Meta[10]
kennen sie noch u. Onkel Artur, die wo
hier waren. – Sonnabend von Gerta[11] einen Brief
erhalten, sonst wußten wir gar nicht noch
ob Ihr noch lebt. – Grüßt Eure Kinder sehr von uns
auch bei Epps[12]. Schreibt bitte bald. Behüt Euch
Gott! Herzlich grüßend eure Gustchen
[1] Magdalena Penner, geb. Heinr. Neufeld (27.05.1895 – 06.04.1977), GRANDMA #1196384 und #1409616
[2] Herbert L. Penner (02.03.1899 – 14.09.1937), GRANDMA #1196381
[3] Schwiegermutter Käthe Penner, geb. Joh. Dyck (20.08.1868 – 13.06.1943), GRANDMA #132337
[4] Lilli Isaak (22.06.1890 – 08.02.1949), keine GRANDMA. Schwester der Briefschreiberin.
[5] Artur L. Penner (16.10.1895 – 28.02.1937), GRANDMA #1118662
[6] Katharina Isaak, geb. Neufeld (15.10.1864 – 13.03.1939), GRANDMA #991218
[7] Emilia Isaak (19.11.1900 – 19.06.1985), keine GRANDMA
[8] Viktor Joh. Penner (08.08.1926 – 2009), GRANDMA #1196387
[9] Söhne von Herbert und Auguste Penner: Harry (19.03.1924 – 01.03.1988), GRANDMA #1196390, Otto (30.06.1926 – 08.09.1988), GRANDMA #1196391, Walter (13.06.1928 – 09.02.2013), GRANDMA #1196392
[10] Fridrich Horn (27.12.1894 – 27.12.1941), GRANDMA #1196399 und seine Frau Meta, geb. L. Penner (03.03.1907 – 24.12.1976), GRANDMA #1196382. Schwägerin von Briefschreiberin.
[11] Gerta Epp, geb. Isaak (10.08.1899 – 01.03.1988), GRANDMA #1476264. Schwester von Briefschreiberin.
[12] Bruno Epp (1894 – 12.06.1942), GRANDMA #1476256 und seine Frau Gerta