Aus dem Tagebuch

11 VOM TAGEBUCH 

August 14, 1871. In Folge dieser anhaltenden Dürre zeigt sich längs der Wolga Cholera-Krankheit. Heute Hafer ausgefahren und Weizen eingesackt, übermorgen nach Pokrowsk zu fahren. Die Erde ist so hart, daß ackern im Stoppel nicht geht, und doch

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sind die schwarzbrachen trotz der Dürre grün; unsere Brache haben wir einmal gepflügt und zwei mal gehackt. 

August 31, 1871. Um 8 Uhr morgens versammelten wir Obervorsteher und Kreisbevollmächtigte auf dem Kontor; ein Beamter führte uns auf die Straße, woselbst wir zur Vorstellung aufgestellt wurden, denn das Innere des Hauses war von Adel so überfüllt, daß kein Raum mehr vorhanden war. Seine Majestät erschien in der Sobrania [d.h. Versammlung) um 10 Uhr in Begleitung des Thronfolgers und des Großfürsten Wladimir 

Januar 1, 1878. Freitag Nachts viel Schnee und Regen heruntergekommen. Den 8. November eine Predigerkonferenz in Halbstadt; beschlossen, bei den Gouverneuren anzufragen, in welcher Art und Weise die Aufhebung und der Dienst unserer jungen Leute geschehen soll. Einige bei uns sind dafür, nichts zu übernehmen. Johannes Penner steht dieser Partei an der Spitze. Vom Lehrdienst ist nur D. Hamm und Johannes Töws für Übernahme des Dienstes, wie der Kaiser es den Mennoniten geboten hat. 

Februar 9, 1884. Der Johannes (sein Sohn) fuhr um 10 Uhr nach Lysanderhöh, um mit seiner Braut (Elise Fröse) nachmittags nach Thiesens zur Hochzeit zu fahren. Wir und die beiden großen Mädchen waren auch auf der Hochzeit. Der Johannes kam abends nach Hause. 

Februar 16, 1884. Dem Johannes sein Hochzeitstag, stürmisch, Wind östlich. Er nahm Käte mit, Marie und Helene waren schon dort von vorgestern; ich und Mama fuhren auch mit einem Schlitten. 

Februar 21, 1884. Den Johannes sind wir jetzt los für immer. Er hat jetzt von seiner Wirtschaft vollständig Besitz genommen. Gott gebe, daß es ihm in seinem Ehestande wohlgehen möge.

 

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April 22, 1884. Sonntag unsere Silberhochzeit gefeiert, obgleich der morgige Tag der rechte ist, weil wir aber gerade mitten in der Saatzeit sind, so wurde, um nicht viel zu versäumen, heute gefeiert. Geladen waren 34 Familien. Nach neuem Stil hatten wir am 5ten Mai 1859 Hochzeit. Heute sehr schönes Wetter. Für die jungen Leute war im Speicher eingerichtet. Die Zimmer waren auch nicht überfüllt, das Gebäck war alles sehr gut geraten. 

Juni 27, 1884. Montag, der Fedor einen Brief nach Dietrich Töws, Lysanderhöh gebracht. Der alte Dietrich Töws ist kränklich. 

August 6, 1884. Epp brachte die Nachricht, daß Dietrich Töws sehr krank sein soll. 

August 24, 1884. Waren bei Dietrich Töws (Lysanderhöh) zum Kaffee, (meine Großeltern) wo Töws den Antrag stellte, daß, wenn wir nichts einzuwenden hätten, ihr Sohn Dietrich unsere Tochter Marie heiraten möchte. 

September 10, 1884. Johannes Töws brachte die Nachricht, daß Dietrich Töws Sonntag 2 1/2 Uhr nachmittags gestorben sei, sein Ende sei sanft und ruhig gewesen.

September 13, 1884. Morgens angefangen zu dreschen, scheint nach Regen. Bis Frühstück mit dem Roggen fertig. Unsere Mädchen sind bestellt, morgen zum Begräbnis aufzutragen. 

September 14, 1884. Nachts gehörig geregnet. An kein Dreschen zu denken. Bei D. Töws Begräbnis. Fröse hielt die Leichenrede. 

16-ten, Sonntag, schönes Wetter, waren nachmittags bei D. Töws auf dem Nachbegräbnis. 

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Oktober 14, 1884. Sonntag in der Kirche große Festlichkeit, Johannes Quiring ins Ältestenamt eingeführt und befestigt von Ältesten Herrn Töws. Von auswärtigen Geistlichen war nur Pastor Störkel von Norka gekommen. Nach meiner Ansicht ist diese Wahl für unsere Kirchengemeinde aufs Beste ausgefallen. 

22-ten Oktober. Montag. Fröse und ich fuhren nach Dietrich Töws, wo heute die Testamentseröffnung stattfand. Die Kinder erhielten je 4000 Rubel und die Frau Töws behielt noch über 23000 Rubel für sich. Dem Dietrich seine Feuerstelle in Waluewka wurde ebenfalls in die Masse geworfen. Die Frau Töws wünschte, daß ich für die Renate die Vormundschaft und für sie die Stelle als Kurator übernehmen möchte. (Heute morgens war Nachtfrost, hell und klar.) 

10. Januar. Donnerstag. Mariechens Verlobung mit Dietrich Töws, 9° stilles angenehmes Wetter, alles verlief sehr gut, um 10 Uhr waren alle Gäste fort. 

31. Januar 1885 Donnerstag. Marie ihre Hochzeit, 7° angenehmes Wetter 

3-ten Februar. Sonntag Nachhochzeit 11° ungefähr 20 Familien, die jungen Leute recht vergnügt, um 11 Uhr alle fort. 

9. Oktober 1886. Lenchens Hochzeitstag mit Fr. Wall. Trübe aber nicht kalt, gegen Mittag fing es an, zu regnen. Bei uns im Hofe ein Schmutz, wie er kaum größer gewesen. Nach dem Speicher doppelte Stege gelegt. Gegen Abend Nordost-Wind. Dann fing es an zu schneien und bald war alles weiß. 

12. Oktober Nachhochzeit, 5° Frost. Alles war hart gefroren. Es waren 20 Familien geladen.

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11. Januar 1888. Vormittag unsere Mama recht bedeutend krank geworden, mit Frost und Gliederschmerzen. Abends ließ ich Esau herholen, er gab 2 Sorten Medizin, scheint aber noch nicht anzuschlagen. 

12. Januar. Dienst. Mama hatte eine schmerzvolle Nacht, kein Schlaf und Schmerzen im Rücken und Brustbeklemmung. Sie ist sehr schwach und würde eine schwere Krankheit nicht lange ertragen. Jeder Atemzug verursacht ihr Schmerzen in der Brust. Nachmittag waren die Kinder hier. 19° Nordost. 

13. Januar 88. Mittwoch, 22°, Nordost, hell und klar. Mama hat wieder eine unruhige Nacht gehabt, auch quält sie der Husten, welches sie sehr anstrengt. Sie ist sehr schwach und wird täglich schwächer. Nachmittag waren die Kinder Johannes Dyck und D. Töws hier. Mariechen (meine Mutter) blieb hier, die anderen fuhren um 8 Uhr nach Hause. 

14. Januar. Nachmittag kam Lenchen. Letzterer war der Abschied beim Wegfahren sehr schwer, wer weiß, wie lange die Kinder noch eine Mutter haben werden. Abends war das Atmen schwer, sie sagte ein paar Mal: „Die Not ist so groß“. 

15. – Mama hatte wieder eine schlechte Nacht, starkes Fieber, dazu Atemnot, noch kann sie verständlich sprechen ist aber sehr schwach. Außer D. Töws waren die Kinder gekommen. Um 1 Uhr sagte sie: „Ich fühle es, jetzt tritt die Krisis ein, ich werde sehr schwach.“ Wir standen um ihr Bett. Johannes las ihr vor, wurde auch viel gebetet, auch das Lied wurde gelesen: „Ich möchte heim“, welches ihr Lieblingslied war. Sie sagte kaum verständlich: „Ja – heim!“ Es war eine traurige Szene. Sie fragte, ob Mariechen nicht schon käme. Letztere war nicht gerade zur Stelle, aber Gott sei Dank, in dem kam sie. Ich sagte zu ihr: „Mama, wir können dich nicht entbehren, wir haben nicht 

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gelernt, ohne dich zu leben!“ Sie schlang ihre Arme um meinen Hals, wollte etwas sagen, aber ihre Sprache war unverständlich. 

18. Januar 88 – So kämpfte sie fort bis Mitternacht, etliche saßen an ihrem Bett, andere hatten sich hingelegt. Endlich schlug die Erlösungsstunde und dieses treue Herz, das bis jetzt mit der treuesten Gatten- und Mutterliebe geschlagen, hörte auf zu schlagen. (Vom 15. – 18. Januar sind 4 eng beschriebene Seiten im Tagebuch, sind mir leider nur nicht zugeschickt worden.) 

25. Januar 88. – Montag. Unserer lieben Mama ihr Begräbnistag. Ältester Quiring hielt die Leichenrede, welche anfing mit Karl Gerocks Lied: Ich möchte heim. Die Text-Worte waren Hebräer 13,14. ‚Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.‘ Obgleich die Rede gut war, so gab sie den Hinterbliebenen doch nicht den Trost, den man erwartete. Aber er konnte ja auch nur sagen, was er wußte, und von unseren früheren Verhältnissen war ihm wenig bekannt. Er hob hervor ihre seltene Treue, welche sie ihrem Verlobten 10 Jahre bewahrte, welcher in einem anderen Weltteil, in den Gebirgen Kaliforniens mit seinem Schicksal rang. – 

(Wo ich manchmal an der Möglichkeit einer baldigen Rückkehr verzweifelnd ihren Namen in jenen Bergen rief und das Echo mir spottend antwortete!) O, wenn ich an jene Zeit denke, wie ich gelitten und gerungen wie kaum ein Sterblicher noch rang! Aber ich will nicht klagen, Gott ist barmherzig. Wir wurden wieder vereinigt und haben beinah 29 Jahre die Leiden und Freuden, welche dieses Leben uns bot, Hand in Hand gekostet, bis der unerbittliche Tod sie von meiner Seite riß. „Sanft ruhe ihre Asche.“ 

Es wurden auch noch die Lieder gesungen: ‚Ich weiß, an wen ich glaube‘ und ‚Geht hin und grabt mein Grab‘. Bis 10 Uhr waren alle Gäste fort. Mariechen und Lenchen blieben mit ihren Kindern hier, die übrigen fuhren nach Hause.

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28. Januar. Zum Begräbnis waren 37 Familien geladen, zum Nachbegräbnis gestern waren 18 Familien anwesend.

12 ERINNERUNGEN 

Jetzt schwebt mir immer jene Zeit vor, ich kann mir nicht helfen, jene goldene Jugendzeit, wo wir uns kennen und lieben lernten. O, wie schön war sie! Schön wie ein junger Maitag, und ihr Herz so rein und lauter. Es war im Sommer 1847, ich war in Caldowe bei Dücks im Geschäft, sie war in Lesewitz bei ihrem Onkel. Wir sahen uns nicht oft, aber denn doch gelegentlich in Heubuden oder wenn sie mit Annchen zur Stadt kam, kleine Einkäufe zu machen. – Die lange Trennung, mit viel Herzeleid und Tränen. – Die Wiedervereinigung. Das Überfahren nach Rußland. Wenn ich diesem allem so nachdenke, zieht’s wie ein Traum an meiner Seele vorüber. Aber alles war Wirklichkeit, und die neuen Pflichten, welche hier an mich heran traten, drohten mich matt zu legen. Wenn ich mir den Kontrast vorstelle zwischen J. Hamm und uns, er in seinem eleganten Wohnhause konnte die russischen Beamte standesgemäß empfangen, und wir wohnten im Stall, mit 2 Stübchen notdürftig eingerichtet, (später bauten sie ihr Wohnhaus) aber getragen von dem Vertrauen und der Zuneigung des ganzen Kreises. Darin bestand mein Übergewicht. Aber alles ging über Erwartung gut, und Gott hat alles wohlgemacht. Dann sett eck mi so trurig hen — und denk so vehl an die; eck et allen min Abendbrot, oh du best nich dabi. – 

18. Januar 1889. Mittwoch. Heute vor einem Jahr, 12 Uhr nachts wurde mein Haus durch den Heimgang meiner geliebten Gattin, der teuren Mutter in die tiefste Trauer gehüllt, die es nur treffen konnte. Außer Johannes waren die Kinder zu Hause, um ihren Andenken Liebe und Verehrung darzubringen.

 

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28. Januar 89. Sonnabend. Kätchens Verlobung mit Leonard Penner. Gehörig Sturmwetter. 

16. Februar 1889. Donnerstag. Kätchens Hochzeit. 10° Südost, etwas Schnee. Quiring verrichtete die Trauḥandlung, er machte es sehr gut. Bis 12 waren alle Gäste fort. 

24. April 89 – Um 7 Uhr fuhren Ältester Quiring und ich nach Saratow, von dort aus nach der Molotschna. Wir wurden uns einig, die Reise per Dampfschiff zu machen… Erreichten Berdjansk am 1. Mai. Fuhren per Federwagen auf schlechtem Weg bis Rüdnerweide. 

8. Mai. Wir begannen um 9 Uhr mit der Sitzung. Delegaten von allen mennonitischen Siedlungen waren zugegen. Bis 7 Uhr abends waren alle Geschäfte erledigt.

9. Mai. Unruh von Gnadenfeld und ich fuhren morgens zusammen über den Dnepr, welcher beinah aufs Höchste gestiegen war, die Strömung sehr stark, wodurch Wirbel entstanden, die gefährlich waren. Vorigen Freitag soll eine Barke mit 64 Menschen in den Stromschnellen verunglückt sein, und bis 30 Mann ertrunken. Später kam auch Ältester Quiring. Wir gingen zusammen nach der neuen Taubstummenanstalt, die in Tiege gebaut wird. Es ist ein kolossales Gebäude und soll bis zum 1. September fertig sein. 20000 Rubel sind schon verausgabt und man glaubt, daß noch 10000 Rubel nötig sein werden. Sie wird von den Beiträgen aller Mennoniten gebaut, wozu die Wohlhabenden auch reichlich spendieren. 

24. Mai 1889. Trat ein Ereignis ein, welches für mich über meine Zukunft entscheidet. Ich bot Frau Töws (eine Witwe von 51 Jahren) zum zweitenmal meine Hand an. Sie sagte ja, und wie mir schien, auch gern und freudig. Möge der ewige Gott diesen Bund segnen.

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12. Juni. Habe heute Käthe meine Absicht mitgeteilt, die Frau David Töws zu heiraten. Sie war anfangs wohl etwas bestürzt, äußerte sich aber nachher ganz einverstanden damit. Ach wenn die anderen Kinder ebenfalls damit einverstanden wären, ich würde es ihnen danken. Es ist für mich eine Lebensfrage, denn meine isolierte Lebenslage drückt mich schier zu Boden. Soll ich denn schon ganz mit dem Leben brechen? Und allen Ansprüchen an dieses Leben, wozu mich Natur und Recht berechtigen, entsagen? Wohl trotz meiner 62 Jahren ist mein Herz noch jung geblieben, trotz meiner grauen Haare! Von den Schwächen und Gebrechen, wovon viele Leute in meinem Alter leiden, weiß ich nicht. Dann diese Frau! Ihr angenehmes heiteres Temperament und die Gleichheit unseres Schicksals. Es hat mir schwere Kämpfe gekostet, manche schlaflose Nacht, bis ich zu dem Schritt mich entschließen konnte, und ich verspreche mir durch die Verbindung, wenn auch nicht einen rosigen, denn die Zeit der Rosen ist vorüber, aber doch einen angenehmen Lebensabend mit ihr zu verleben.

27. Juli. Ich erwarte, daß viele, wenn sie nur verkaufen können, nach Auliata auswandern werden, denn sie kommen jedes Jahr nicht vor-, sondern rückwärts. Gott weiß, welchen Verlauf die ganze Ansiedlung bei uns noch nehmen wird, denn anstatt daß, wie man jährlich hofft, die wirtschaftlichen Verhältnisse sich bessern sollen, werden die Ernten immer geringer, und die ganze Ansiedlung scheint einem gewissen Ruin, wenn auch langsamer als bei den Kolonisten und Russen, entgegen zu gehen. – 

19. August 89 Mamas Geburtstag. Ich und Käte waren auf dem Kirchhof, das Grab mit Kränzen belegt. 

15. September. Freitag. Meine Verlobung mit Frau David Töws, sehr angenehmes Wetter. Was für mich noch weit angenehmer war, war das liebevolle, vertrauliche 

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Entgegenkommen meiner Kinder gegen ihre zukünftige Mutter! Auch sie war sehr erfreut darüber. Von den geladenen 20 Familien waren keine ausgeblieben. 

5. Oktober 1889. Mein Hochzeitstag mit Frau Renate Töws, geb. Wall. Quiring traute uns, alles war froh und heiter. Bis 12 Uhr waren alle Gäste fort. 

6. Oktober. Gegen Abend holte ich mein liebes Weib her, zu ihrem ferneren bleibendem Aufenthalt. Möchte der gute Gott ihren Eingang bei uns segnen und uns Liebe, Friede und Eintracht schenken und erhalten, jetzt und immerdar. Amen. – 

11. Mai 1892. Weide ist fast keine, das Futter ist all, man weiß kaum, was man den Pferden beim brachen (ackern) geben soll. Mit 1 Wasserwagen und 3 Mann Zieselmäuse ausgesäuft. Mit 7 Quetschen auf dem Traktwege angefangen, Heuschrecken zu vertilgen. 

29. Mai. Immer noch Heuschrecken vertilgen. 

Heute, den 30. Mai Heuschrecken vertilgt, 4 Prid 16 Pfund. Heißer Wind, das Getreide leidet. 

12. Juni. Vier Mann den Tag über Heuschrecken gefangen. 

15. Juni. Die Heuschrecken werden täglich größer und fressen mehr, es sind genug vorhanden, alles Getreide aufzufressen, trotzdem [daß] täglich mit 7 Planen und 50 Mann 7 – 8 Prid gefangen werden. Wie der Ausgang sein wird, bleibt abzuwarten. 

29. Juni. Trocken, kein Regen. Die Felder stehen schlecht. Was noch gewachsen ist, wird von den Heuschrecken gefressen, sogar die Gärten sind voll von ihnen. – 

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30. Oktober 1898. Sonnabend und Sonntag stand es schlecht mit mir. Sonnabend fuhr ich ein Endchen auf dem Trakt, und da fing ich an zu frieren, trotzdem ich den Pelz anhatte. 

3. November 98. Dienstag waren Ältester Quiring und Bruder Epp hier und ein Testament wurde aufgestellt. Mariechen (meine Mutter) blieb seit vorgestern hier. 

7. November. Sonnabend. Heute Morgen war es mit mir schlecht, keiner von den Kindern läßt sich heute blicken.

10. November 1898. Morgens 9 Uhr – unser Papa gestorben. Ruhe sanft im Frieden, oft von uns beweint, bis des Himmels Frieden droben uns vereint. Er ist nur kurze Zeit krank gewesen, seine letzten Aufzeichnungen im Tagebuch haben solche feste Handschrift wie seine ersten. Er ist 72 Jahre alt geworden.

13 SCHLUSS 

Großvater muß ein interessanter Mann gewesen sein. Sein Charakter war vielseitig. Auf der einen Seite stand er immer an der Front des Lebens und half, sein und anderer Schicksal zu formen. Auf der anderen Seite liebte er das gewöhnliche Leben. In seinem ganzen Tagebuch hat er immer aufgezeichnet, was die Temperatur und Windrichtung war, wie viel roten türkischen Weizen sie gedroschen, wie viele Schweine geschlachtet. Ihm konnten die kleinen Dinge des alltäglichen Lebens nicht den Blick für das Große im Leben verdecken. Er wurde niemals rauh, hat seiner Nachwelt einen schlichten Glauben hinterlassen, einen Willen, am Leben Freude zu finden und ein Vorbild, wie unserem Nächsten zu dienen, das ist besser als vergänglicher Reichtum, denn er wurde niemals reich. Er hatte ein Gerechtigkeitsgefühl

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und eine feste Überzeugung. Doch wird auch er seine Fehler gehabt haben, wie ein jeder anderer sterbliche Mensch sie hat. Denn Gott allein ist gut. – 

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